Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)
hat zweifellos mit Status, mit Kontrolle und überlegenem Wissen zu tun. Dass auch das Erzählen von Witzen eine Form der Statusaushandlung sein kann, ist zwar weniger offensichtlich, aber trotzdem wahr. Ref 59
Viele Frauen (sicher nicht alle) lachen über Witze, können sich aber keine Witze merken. Weil es sie nicht danach drängt, im Mittelpunkt zu stehen, müssen sie nicht ständig einen Vorrat an Witzen parat haben. Eine Frau, die ich Bernice nennen will, war stolz auf ihren Sinn für Humor. Auf einer Cocktailparty traf sie einen Mann, von dem sie sich angezogen fühlte, weil es zunächst so schien, als ob er diese Eigenschaft teilte. Er machte viele witzige Bemerkungen, über die sie spontan lachen musste. Aber als sie witzige Bemerkungen machte, schien er gar nicht zuzuhören. Wo war sein Sinn für Humor geblieben? Obwohl sowohl das Witzeerzählen wie auch das Lachen über Witze von Humor zeugt, handelt es sich dabei um ganz verschiedene soziale Verhaltensweisen. Wer andere zum Lachen bringt, hat für einen flüchtigen Moment Macht über sie: Der Linguist Wallace Chafe weist darauf hin, dass Menschen, wenn sie lachen, vorübergehend schutzlos sind. Der Mann, den Bernice kennenlernte, fühlte sich nur wohl, solange er sie zum Lachen brachte, nicht im umgekehrten Fall. Bernice ging davon aus, dass sie sich auf eine symmetrische Kommunikation einließ, als sie über seine Witze lachte. Er aber ging von einer asymmetrischen Situation aus.
Ein Mann erzählte mir, dass er ungefähr in der zehnten Klasse erkannt habe, dass er lieber mit Frauen als mit Männern zusammen war. Er fand, dass seine weiblichen Freunde hilfsbereiter und weniger wettbewerbsorientiert seien, während seine männlichen Freunde nichts anderes als Witze im Kopf hätten. Wenn man das Witzemachen als etwas Asymmetrisches auffasst, wird verständlicher, warum es zu einem Verhalten passte, das dieser Mann für wettbewerbsorientiert hielt.
»Was glaubst du, mit wem du sprichst?«
Die subtilen Asymmetrien des Sprechens und Zuhörens werfen vielleicht auch ein wenig Licht auf die weitverbreitete Klage, dass Männer zu Hause so mundfaul sind. Der Anthropologe Gerry Philipsen verbrachte zweieinhalb Jahre mit männlichen Teenagern in einem italienischen Arbeiterviertel. Diese Jungen unterhielten sich laut und wortreich, wenn sie mit ihren Freunden an den Straßenecken oder in der örtlichen Kneipe herumlungerten. Aber sie sprachen nur mit ihresgleichen. Mit Leuten, denen sie sich über- und unterlegen fühlten, unterhielten sie sich nicht. Wenn sie etwas von einer Autoritätsperson wollten, nahmen sie Vermittlerdienste in Anspruch, so, wie sie auch eher einen Heiligen um Fürsprache baten, statt direkt zu Gott zu beten. Auf Leute in untergeordneten Positionen – Kinder, Frauen oder Jungen mit niedrigerem Status – reagierten sie mit Demonstrationen physischer Stärke, nötigenfalls sogar gewalttätig. Mit jemandem zu reden, der einen höheren Status innehatte, wäre ihnen unverschämt, anmaßend und regelwidrig vorgekommen. Mit jemandem zu reden, der einen niedrigeren Status innehatte, wäre ohne praktischen Nutzen und hätte nach Schwäche und Unterwürfigkeit ausgesehen.
In zwei Weisen ähnelt die Kultur dieser »Macho«-Teenager derjenigen von Frauen und Mädchen. Wie die Mädchen gewinnen auch diese Jungen Status durch Beziehungen: Je einflussreicher ihre Bekannten sind, desto mehr Status erhalten sie. Doch ihnen geht es bei den Beziehungen hauptsächlich um Macht: Sie nutzen ihre Bindungen, um etwas durchzusetzen. Für Mädchen sind Beziehungen ein Zweck in sich: Ihr Ansehen steigt, wenn sie mit einem Mädchen von höherem Status befreundet sind. Diese Jungen gleichen den Mädchen insofern, als sie sich nur im Gespräch mit Gleichgestellten wohl fühlen. Aber warum mögen sie sich nicht mit Mädchen unterhalten? Vielleicht, weil sie davon ausgehen, dass Mädchen einen niedrigeren Status haben, während Mädchen glauben – oder glauben wollen –, dass Partnerschaften, auch die mit Männern, gleichberechtigt sind.
Klassenunterschiede spielen beim Gesprächsstil vielleicht eine weit größere Rolle, als gemeinhin angenommen wird. Die Soziologin Mirra Komarovsky kommt in ihrer schon klassischen Studie Blue Collar Marriage zu dem Schluss, dass Mann und Frau sich umso mehr als Partner begreifen, je stärker sie von der Mittelschicht geprägt sind. Unter Highschool-Abgängern herrschte die Ansicht vor, dass ein Ehemann mit seiner Frau reden
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