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Du lebst nur zweimal

Titel: Du lebst nur zweimal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Fleming
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Bummelzug vom Hafen Beppu nach Fukuoka und dann einen Spaziergang oder eine Taxifahrt die herrliche Küste entlang zu den ehrfurchtgebietenden Wällen des geheimnisvollen Todesschlosses. Man steigt darüber oder schmuggelt sich auf einem Lieferwagen hinein. Und dann - ein letzter köstlicher, abschiednehmender Spaziergang durch die einladenden Haine. Und schließlich das große Glücksspiel, das die Japaner so lieben. Welche Kugel wird deinen Namen tragen? Ist dein Tod schnell oder schmerzhaft? Beißt dich eine Viper ins Bein, während du die ruhigen Pfade entlanggehst? Fällt irgendein tödlicher Tau auf einen herunter, während man nachts unter diesem oder jenem mächtigen Baum ruht? Oder verleiten einen Hunger oder Neugier dazu, eine Handvoll jener roten Beeren zu essen oder eine dieser Orangen zu pflücken? Wenn man es schnell erledigen will, steht natürlich immer eine kochende schweflige Fumarole zur Verfügung. Ihre tausend Grad Hitze lassen gerade noch einen letzten Schrei zu. Dieser Garten, Bondo-san, ist nichts als ein Warenhaus des Todes; die Regale stehen voller Selbstzerstörungsa rtikel, die noch dazu kostenlos zu haben sind. Können Sie sich nicht vorstellen,
    daß alt und jung dorthin wie zu einem Schrein pilgert?
    Die Polizei hat eine Sperre quer über die Straße errichtet. Die Botaniker, die zu Besuch kommen, müssen einen Paß vorweisen. Und trotzdem bahnen sich die Selbstmörder ihren Weg zum Schrein - über die Felder und durch die Sümpfe. Der gute Doktor ist natürlich sehr bestürzt. Er hat abschreckende Warntafeln mit Totenköpfen aufstellen lassen. Sie wirken wie Großanzeigen! Er hat sogar einen Heliumballon gekauft, der über dem Dach seines Schlosses schwebt. Die daranhängenden Bänder drohen unbefugten Besuchern mit gerichtlicher Verfolgung. Aber der Ballon lockt noch mehr Leute an. Hier wartet der Tod, verkündet er. Komm und bediene dich!«
    »Warum verhaften Sie ihn nicht, Tiger? Warum verbrennen Sie den Gruselgarten nicht?«
    »Verhaften - mit welcher Begründung? Weil er Japan diese einzigartige Sammlung seltener Pflanzen geschenkt hat? Den Besitz eines geachteten Gastes niederbrennen? Der Mann hat doch überhaupt nichts Böses getan. Wenn man jemand die Schuld geben will, dann dem japanischen Volk. Natürlich könnte er die Überwachung sorgfältiger durchführen lassen. Es ist auch irgendwie komisch, daß die Opfer jedesmal tot sind; gewöhnlich bleibt nichts übrig als ein Beutel verbrannter, aus den Fumarolen gefischter Knochen. Nach der Liste, die ich Ihnen gezeigt habe, sollte man doch annehmen, daß einige nur verstümmelt oder geblendet sind. Der Herr Doktor zeigt sich selbst über diese Tatsache sehr verwirrt. Er meint, daß bei Fällen von Blindheit oder Amnesie die Opfer wahrscheinlich aus Versehen in die Fumarolen stürzen. Vielleicht. Aber wie schon gesagt, seine Quote beträgt jetzt bereits über fünfhundert Menschen, und durch die unvermeidliche Publizität werden immer mehr Leute in das Schloß des Todes gelockt. Wir müssen das unterbinden.«
    »Was ist bisher unternommen worden?«
    »Untersuchungskommissionen haben den Doktor besucht. Sie sind sehr höflich empfangen worden. Der Doktor hat darum gebeten, etwas zu unternehmen, um ihn vor diesen ungebetenen Besuchern zu schützen. Er klagt, daß sie seine Arbeit stören, wertvolle Zweige abbrechen und teure Pflanzen ausreißen. Er ist mit allen Maßnahmen einverstanden, wenn sie nicht gerade auf die Preisgabe seines Projektes hinauslaufen, das ihm so ans Herz gewachsen ist und von den japanischen Botanikern so geschätzt wird. Er hat sogar ein weiteres hochherziges Angebot gemacht. Er richtet eine Forschungsstätte ein - die Leute dafür wählt er natürlich selber aus -, um seinen Büschen und Pflanzen die Gifte zu entziehen und die Extrakte kostenlos einem geeigneten medizinischen Forschungsinstitut zu überlassen. Sie werden sicher wissen, daß viele dieser Gifte in verdünnter Form wertvolle Heilmittel sind.«
    »Aber was hat das alles mit Ihnen zu tun?« Bond wurde jetzt langsam schläfrig.
    Es war vier Uhr. Er trank seinen saké aus. Es war Zeit, ins Bett zu gehen. Doch Tiger war offenbar von dieser irrsinnigen Angelegenheit besessen, die an die Gruselgeschichten von Poe erinnerte.
    Tiger schien die späte Stunde nichts auszumachen. Die Züge seines Samuraigesichts wirkten vielleicht noch finsterer, noch brutaler. Aber nur ein gelegentliches Hin- und Herrutschen zeigte an, daß er beteiligt, ja, erregt war.

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