Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen
ein Leben sind, in dem sie sozial verantwortungsbewusst handeln und beruflich erfolgreich agieren können.
Die Klagen über mangelndes Interesse sowie schlechte Motivation und Qualifikation von Schulabgängern sind allgegenwärtig. Am meisten wird kritisiert, dass die Heranwachsenden nicht auf das Berufsleben und wirtschaftliches Agieren vorbereitet sind: Weder wissen sie, wie Geld funktioniert, noch, wie man mit Risiken und Wahrscheinlichkeiten umgeht. Auch insgesamt finden sie sich offensichtlich im »wahren« Leben nicht zurecht.
Der Grund dafür ist einfach: Die Welt hat sich geändert. Die Schule schafft das offensichtlich nicht. Sie wird jedoch nicht umhinkommen, sich zu entwickeln und offen für Neues zu werden. Vor allem muss sie zunehmend erzieherische Aufgaben übernehmen, erst recht, wenn in immer mehr Schulen auf Ganztagsbetrieb umgestellt wird.
Früher gingen wir bis 13 Uhr zur Schule, dann erledigten wir unsere Hausaufgaben und gingen unseren Freizeitinteressen nach. Heute kommen Kinder um 18 Uhr nach Hause. Man kann nicht erwarten, dass sie dann auch noch Hausaufgaben machen. Lehrer können sich einfach nicht mehr auf ihre Funktion als bloße Wissensvermittler berufen. Für Heranwachsende ist Schule heute ein Lern- und Lebensraum, in dem sie auch soziale Kompetenzen erlernen müssen, das, was in manchen Elternhäusern zu kurz kommt. Schüler lesen heute viel weniger als frühere Generationen, sie sehen ausdauernd teilweise fragwürdige Fernsehserien und chatten. Wenn wir also etwas für den Schüler erreichen wollen, dann muss
das meiner Meinung nach in der Schule geschehen. Wir müssen uns von alten Gewohnheiten verabschieden. Wenn ein Schüler einfache Sachen nicht versteht, dann können wir klagen, die Zustände verdammen – oder die Lehrmethoden überprüfen. Schüler verstehen grundsätzlich erst, wenn sie sich mit den Dingen tatsächlich selbst beschäftigen.
Wenn Schüler zu Hause eher fernsehen als lesen, dann ist das eben so. Wir werden keinen Krieg gegen das Fernsehen gewinnen können. Aber wir können einiges in der Schule auffangen. Das muss so geschehen, dass leistungsstarke und schwächere Schüler miteinander lernen und voneinander profitieren. Schule muss weniger ein Vorlesesaal sein als vielmehr eine Lernwerkstatt, in der der Schüler aktiv wird. Für diese anregende Lernwerkstatt muss der Lehrer sorgen, dann klappt es auch mit dem Lernen. Denn es gibt keine uninteressierten Schüler. Ich kenne nur vernachlässigte, zu wenig geforderte und überbehütete Schüler, aber keinen, der sich nicht zum Arbeiten inspirieren ließe, wenn das Umfeld stimmt.
Ein kleiner Denkanstoß dazu noch: Im Moment läuft Unterricht häufig so ab, dass der Lehrer den Schülern alles vorkaut. Oder er interessiert sich nicht für sie und hält an der Tafel Selbstgespräche. Die Schüler langweilen sich, schalten ab, machen Unsinn ... In einer idealen Schule wäre das anders: Am Ende eines Schultages muss der Schüler von seiner Denkleistung erschöpft sein, nicht der Lehrer vom Unterrichten.
Bildung braucht Erfahrungen
Welchen Wert kann eine Bildung haben, die wie ein Hamburger aus einem Schnellimbiss verabreicht wird? Man stopft ihn in sich rein, danach liegt er einem schwer im Magen, der Genuss ist flüchtig, und am Ende gelangt er mit einem Erleichterungsseufzer an seinen eigentlichen Bestimmungsort. Genau so wird Schulwissen vermittelt. Irgendjemand stellt ein Fresspaket
zusammen, dann wird versucht, es in Phasen in die Köpfe zu pressen: Kurz vor den Arbeiten stopfen sich die Schüler den Stoff hinein, kaum sind die Klausuren geschrieben, wird das Gelernte umgehend entsorgt. 80 Prozent der Schüler wissen am Ende eines Schuljahres nicht wesentlich mehr als am Anfang. Und rückblickend bleibt, wie beim Hamburger auch, ein fader Geschmack zurück. Besonders lecker war es nicht, geschadet hat es aber auch nicht. Muss Bildung so sein?
Frei nach einem chinesischen Sprichwort gesagt, heißt es: »Gib mir einen Fisch, und ich habe eine Mahlzeit. Lehre mich das Fischen, und ich kann mich selbst ernähren.« Wer sich den Fisch lediglich einverleibt, wird niemals von sich aus Anstrengungen unternehmen, selbst zu denken. Und solange in Deutschland noch ein soziales System greift, wird es auch immer jemanden geben, der einen wenigstens so weit füttert, dass man nicht verhungern muss. Doch eines Tages werden die wenigen Angler nicht mehr alle füttern können, einfach weil es zu viele hungrige Mäuler gibt,
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