Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen
die unzufrieden herumschreien, weil sie nicht genug zu essen bekommen. Auf die Idee, selbst zu angeln, kommt keiner. Denn wer stets geschont wurde und niemals nach Lösungen suchen musste, der durfte nie erfahren, dass er auch über eigene Fähigkeiten verfügt. Er hat ja sein halbes Leben nur vor sich hin gedümpelt und rechtzeitig geschrien, wenn der Magen knurrte. Und notfalls gab es dann ja immer noch eine Tiefkühltruhe, auf die man ausweichen konnte. Es ist eine alte Weisheit, dass spätestens dann, wenn es nichts mehr geschenkt gibt, die Menschen sich zwangsläufig auf sich und ihre Fähigkeiten besinnen müssen.
Wenn wir uns noch einmal vor Augen führen, mit welcher Neugier, Begeisterung und Entdeckerfreude junge Menschen – zumindest anfangs – in die Schule gehen, dann ist es die Pflicht, dass die Schule die hungrigen Mäuler nicht mit Bergen von Fisch vollstopft, sondern in jedem Schüler das
Talent zum Angeln weckt. Der Wert einer ganzen Gesellschaft bemisst sich daran, wie viele fähige Angler am Werk sind. Dieser Grundstein muss in der Schule gelegt werden. Wir brauchen keine Fachidioten, sondern eine Bildung mit Praxisbezug. Nur wer selbst angelt, kann die Erfahrung machen, dass der Wurm dem Fisch schmecken muss und nicht dem Angler, will er seinen Korb voll bekommen. Gleichzeitig wird er die Erfahrung machen können, dass nicht der Angler der Nabel der Welt ist, sondern dass am besten dort geangelt wird, wo sich die Fische aufhalten und nicht da, wo die Sonne die Nasenspitze des Anglers am besten bräunt.
Mangelnder Praxisbezug produziert nur entmündigte Menschen, die sich im Berufsalltag kaum zurechtfinden werden. Was nutzt es einem Menschen, wenn er die Osmoseregulation der Fische kennt, selbst aber noch nie einen Fisch im Wasser gesehen hat? Man kann nur selbstständig laufen lernen, indem man tatsächlich läuft. Wer die Menschen in einem mentalen Rollstuhl durch die Gegend schiebt, der erzieht sie zur Unselbstständigkeit. Übertragen auf die Schule heißt das: Nicht »Lehrer lehre«, sondern »Schüler lerne«. Wer Lerntechniken und Strategien vermittelt bekommt, der kann dann auch irgendwann allein weiterlernen. Die beste Art zu lernen ist, es selbst zu entdecken. Wer selbst Lernerfahrungen machen kann, der stärkt seinen Glauben in die eigene Leistungsfähigkeit und sein Selbstbewusstsein. Der Lehrer soll den Lernprozess nur begleiten, sich möglichst überflüssig machen, damit der Schüler wachsen kann.
Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sind Kreativität und Mut gefordert – junge Menschen brauchen heute Werte wie Verantwortung und Lebenssinn, Konfliktfähigkeit und Zielorientierung. Individuelle Förderung ist wichtig. Deshalb müssen die Fragen »Was kann ich?«, »Was will ich wirklich?« viel stärker in den Fokus rücken.
Die Schüler müssen lernen, dass sie selbst ihren Weg bestimmen. Dass es von ihrer Einstellung und von ihrem Willen abhängt, ob sie es schaffen werden. Denn schaffen kann es jeder – das ist keine Frage der Intelligenz, sondern ausschließlich der Glaubenssätze und der Bereitschaft, immer bei sich selbst anzufangen. Und die ewige Ausrede von »schlimmen«, schwierigen oder ungünstigen Umständen lasse ich nicht gelten! Es stimmt, es gibt wirklich unangenehme Ereignisse. Doch wie man darauf reagiert, wie man damit umgeht, das ist und bleibt immer eine persönliche Entscheidung. Es liegt an jedem selbst, ob er bei Regen zu Hause bleibt und über das Wetter jammert oder sich entsprechend anzieht und etwas aus dem Tag macht.
Gib einem Hungernden einen Fisch, und er wird einmal satt,
lehre ihn das Fischen, und er wird nie wieder hungern.
(chinesisches Sprichwort)
Welche Ausbildung ist heute nötig?
Bleiben wir noch bei unserem Angelbeispiel. Damit sich ein Schüler zu einem begabten Angler entwickeln kann, wird er sich natürlich auch das Wissen über die Fische, Gewässerkunde, Natur- und Tierschutz, Geräte- und Gesetzeskunde aneignen müssen. Er wird lernen müssen, dass man mit unterschiedlichen Ruten unterschiedliche Fische angelt, dass nicht alle Fische auf den gleichen Köder anbeißen. Auch wird er die verschiedenen Montagetechniken kennenlernen. All dieses Wissen wird er sich vorab aneignen, so wie man die Straßenverkehrsregeln kennen sollte, bevor man zum ersten Mal Auto fährt. Und mit dem entsprechenden Fundament ausgerüstet, wird das eigentliche Angeln dann schließlich am Teich selbst erlernt. Dort wird mancher Fischfänger
Weitere Kostenlose Bücher