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Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen

Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen

Titel: Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina L'Habitant
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finden. Jeder Fehler verhagelt ihr die Laune, sie bricht in Tränen aus und zittert vor Erregung.
    Ich mag diese Gruppe unterschiedlicher Charaktere sehr. Wo können junge Menschen für ihre Persönlichkeit besser lernen als im Umgang miteinander, wenn sie erleben können, wie andere die Dinge handhaben?
    Die Art und Weise, wie in unserem Schulsystem Fehler geahndet werden, spiegelt die komplette gesellschaftliche Fehlerkultur: Ungenügend – Setzen! Es reflektiert kaum einer, wie er mit Fehlern umgehen möchte: Vertuschen, einem anderen anhängen oder gar daraus lernen? In unserer Kultur liefern sich Vermeidungsstreben und Verantwortungslosigkeit ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Wir haben Angst vor Fehlern. Deshalb ist es auch sehr beliebt, bei Fehlergefahr in Totenstarre zu verfallen: Jetzt bloß nichts falsch machen – denn Fehlermachen wird bestraft. Die Angst vor Fehlern ist einer der Hauptgründe, warum sich Schüler nicht aktiv am Unterrichtsgeschehen beteiligen. Bestimmt 70 Prozent der Schüler in einer
Klasse haben Angst, falsche Antworten zu geben oder gar Fragen zu stellen. Sie ziehen es vor, Sachverhalte lieber nicht zu verstehen, als von ihren Mitschülern oder dem Lehrer für dumm gehalten zu werden – oder so hingestellt zu werden, als wären sie es.
    Genau an dieser Stelle muss ein Umdenken stattfinden. Wir müssen Fehler neu bewerten, nicht als einen Mangel an Vollkommenheit, sondern als Lernerfahrungen, als ein Feedback auf eine Aktion. In dieser Richtung können wir wirklich von anderen Ländern lernen. In kanadischen Schulen wird der Fehler als ein »Freund« bezeichnet. Man stelle sich einmal vor: 20 Freunde besuchen einen im Aufsatz. Sie glauben, ich würde das Thema nicht ernst genug nehmen? Doch, ich nehme das Thema sehr, sehr ernst. Es ist lediglich so, dass mir 20 Freunde, die mir etwas sagen wollen, lieber sind als 20 Feinde, die mir unentwegt meine Mängel vorhalten. Erstere vermitteln mir die Option »Hoffnung«, Letztere ziehen mich herunter und führen schlimmstenfalls zu einem sinnlosen Streben nach Vollkommenheit, die wir hier auf Erden sowieso niemals erreichen werden.
    In erster Linie kommt es darauf an, dass Schüler nicht in ihrem kindlichen Forscherdrang gehemmt werden. Nur wer sich ausprobiert, kann sich weiterentwickeln, Urvertrauen in die eigenen Fähigkeiten aufbauen und Neues entdecken. Kein Mensch hat je Laufen gelernt, ohne hinzufallen – und genauso ist keiner für immer liegen geblieben. Von dieser Unbekümmertheit kann sich die Schule eine Scheibe abschneiden und dem Schüler vermitteln: »Du kannst es dir leisten, Fehler zu machen. Sie sind die einzigen Wegweiser für Jung und Alt, um vorwärtszukommen.«
    Bieten wir doch den Heranwachsenden ein geschütztes Umfeld, um eigene Lernerfahrungen sammeln zu dürfen. Eine positive Fehlerkultur kann unmittelbar in unserem Bildungssystem
gelebt werden. Dafür bedarf es verständnisvoller Pädagogen, die den Heranwachsenden vermitteln: Wer Fehler macht, wird schlau! Mach viele! So machst du Schule!
    Es irrt der Mensch, solang’ er strebt.
    (Johann Wolfgang von Goethe)
    Das Recht auf Mitbestimmung
    Wenn die Schüler die Möglichkeit bekommen, ihren Schulalltag und ihre Lerninhalte mitzubestimmen, dann erwachen sie aus ihrer Lethargie und widmen sich mit Freude ihrem Lernen. Ich bin immer wieder erschüttert, wie sehr Lehrer davon überzeugt sind, zu wissen, was gut für die Heranwachsenden ist. Selbst wenn kein einziger Schüler mehr zuhört, spulen sie ihr Programm stur ab. So ein unflexibler Aktionismus schafft unentwegt Widerstände. Ein Lehrer müsste aufgrund der Erinnerungen an seine eigene Schulzeit wissen, dass diese Art des »Lehrens« rein gar nichts bewirkt.
    Leider erlebe ich ständig das Gegenteil: Auf einem Montessori-Workshop etwa waren einige Lehrer nicht bereit, sich auf den Boden zu setzen und mit dem Material zu arbeiten. Als der Lehrgangsleiter ihnen erklärte, dass man zum besseren Verständnis, was in einem Kind vorgeht, dessen Perspektive einnehmen müsse, da antworteten sie, dass die Kinder sich bitte schön nach ihnen richten sollten. Das sollen Lehrer sein? Selbst nicht bereit, sich auf neue Sichtweisen einzulassen, aber im Gegenzug vom Schüler unentwegt erwarten, dass er genau das leistet – welch ein Widerspruch! Ref 27
    Gute Schulen haben längst erkannt, dass Kinder, die etwas »müssen«, nicht lernen: Ob groß oder klein, wer nicht will, der wird nicht lernen, Punkt. Das hat nichts mit

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