Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen
Waldorf-Schüler. Fragen Sie sich einmal, wie Menschen so erfolgreich werden konnten, obwohl sie doch auf Schulen gingen, die völlig vom gängigen Schulsystem abweichen. Nach unseren überlieferten Glaubenssätzen hätten die doch alle auf der Strecke bleiben müssen. Wünschen wir uns nicht insgeheim auch, dass unsere Kinder ebenfalls so einen siegreichen Lebensweg gehen dürfen? Blicken Sie einmal auf die Internetseiten einiger Reformschulen und lassen Sie sich von einer Pädagogik inspirieren, deren Ansatz vom Kind her ausgerichtet ist und seine Selbsttätigkeit in den Mittelpunkt stellt (Links und Literaturempfehlungen finden Sie am Ende).
Wir brauchen Lehrer, die Qualität vorleben
Eine ideale Schule gelingt nur mit idealen Lehrern. Diese müssen in der Lage sein, Wegbegleiter zu sein und keine bevormundenden Wegbereiter. Um dieses Ziel zu erreichen, braucht es jedoch auch eine völlig neue Art der Lehrerausbildung. Und zwar eine, die die Entwicklung der gesamten Lehrerpersönlichkeit in den Mittelpunkt stellt. Denn diese muss auch in der gesamten Bildung und Erziehung der Heranwachsenden ein zentrales Thema sein.
Wichtig für Lehrer und für Schüler: die gesamte Persönlichkeit entfalten
Ein entscheidender Punkt in der Persönlichkeitsarbeit ist die Überwindung der eigenen Scheu, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen. Dafür ist ein konsequentes Training nötig, denn Lockerheit und Selbstsicherheit erwirbt man nur durch Übung. Deshalb ist es unerlässlich, gerade in der Schule Persönlichkeitsbildung auch als Schulfach anzubieten. Wer von klein auf gelernt hat, mit seinen Hemmschwellen spielerisch umzugehen und seine Stärken kompetent zu kommunizieren, der wird gelassener und damit auch glaubwürdiger. Mit diesem Rüstzeug kann er nicht nur eines Tages zuversichtlich in Bewerbungsgespräche gehen, sondern auch ebenso optimistisch und vertrauensvoll seine Lebensplanung verfolgen.
Gerade im Bereich der Reformpädagogik wird sehr auf diesen Aspekt geachtet. Die Stärkung des Individuums steht dort immer im Mittelpunkt jedes Lernangebotes. Doch Persönlichkeitsbildung fängt beim Erzieher an. Er selbst muss erst einmal mit sich ins Reine kommen, um überhaupt die notwendige Empathie für den Schüler aufbringen und ihn wirklich da abholen zu können, wo er steht. Was einer nämlich von sich selbst denkt, das denkt er auch über andere. Will der Lehrer jungen Menschen zu einer optimistischen Sichtweise verhelfen, dann muss er selbst eine positive Lebenseinstellung haben.
Doch davon sind viele Lehrer, die tagtäglich auf die Entwicklung von Heranwachsenden Einfluss nehmen, weit entfernt – wie auch das folgende Praxisbeispiel zeigt.
PRAXISBEISPIEL ______________________________________
Auf einem Lehrgang zum Erwerb des Montessori-Zertifikats für die Sekundarstufe waren meine Kollegin und ich als Dozenten eingeladen. Unser Ziel: An einem Samstag den 17 teilnehmenden
Lehrern die Montessoriarbeit im Fachbereich Musik nahezubringen. Dabei spielte besonders das Thema Persönlichkeitsbildung eine Rolle, das permanent in Form praktischer Übungen in den Unterricht integriert sein kann.
Um neun Uhr begannen meine Kollegin und ich den Tag mit einer Unterrichtsdemonstration. 15 Schüler hatten sich freiwillig bereit erklärt, den teilnehmenden Lehrern an diesem Samstagmorgen eine Kostprobe unserer Arbeit zu zeigen. Wir verbrachten eine fröhliche, arbeitsintensive und unbeschwerte Doppelstunde miteinander, in der die Schüler sich fast darin überschlugen, ihr Können durch Solo-Einlagen zu demonstrieren. Hemmungen, Schüchternheit und Desinteresse? Fehlanzeige! Mit großem Spaß spielten sie »Bergische Symphoniker«. Die Lehrer konnten nicht glauben, wie unbeschwert und fröhlich junge Menschen arbeiten mögen. Sie vermuteten natürlich sofort Tricks – etwa, dass wir nur die besten Schüler zur Hospitation eingeladen hätten. Doch wir arbeiten in jeder Stunde mit allen Schülern engagiert und motiviert. Etwas anderes würde unserem pädagogischen Selbstverständnis völlig widersprechen.
Im Anschluss an die Doppelstunde nahmen die Lehrer auf den Stühlen der Schüler Platz, um selbst erste Instrumentalspielerfahrung zu sammeln. Unsere Absicht dabei war, sie hautnah erleben zu lassen, wie der Mensch mit neuen Herausforderungen umgeht und an welche Grenzen er dabei sehr schnell stößt. Solchen Situationen müssen sich Schüler jeden Tag aussetzen. Die Lehrer in diesem Workshop begannen sich
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