Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen

Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen

Titel: Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina L'Habitant
Vom Netzwerk:
herauszureden oder uns für ihr Unbehagen verantwortlich zu machen. Mit viel Geduld konnten wir sie schließlich dazu bringen, nach einer Stunde ein kurzes Stück zu spielen.
    Nach der Mittagspause sollten sich die Teilnehmer dann mit dem Montessori-Musikmaterial beschäftigen, die dahinter steckende Didaktik selbst erkunden und in Anlehnung an
ihr Fachgebiet entsprechende Ideen für weitere Materialien entwickeln. Zwei Lehrer verzogen sich zu einem einstündigen Schwätzchen in die Sofaecke, fünf geisterten lustlos in der Umgebung herum, schauten mal hier und mal da ... Vier andere scharten sich um mich und beschwerten sich, sie würden die Aufgabenstellung überhaupt nicht verstehen, ich solle ihnen das doch mal erklären, schließlich seien sie keine Musiker und man könne von ihnen nicht erwarten, dass sie sich ohne Vorwissen in didaktische Zusammenhänge einarbeiten. Nur zwei Dreiergruppen arbeiteten intensiv. In der sich anschließenden Feedbackrunde teilten lediglich drei Lehrer ihre neu gewonnenen Erkenntnisse mit, die anderen schwiegen.
    Doch das Highlight des Tages folgte erst noch: Kleine Einheiten in Persönlichkeitsbildung, die ich normalerweise in den Unterricht einflechte, stimmte ich auf die Altersgruppe der Lehrer ab. Sie sollten sich selbst einmal in den Mittelpunkt stellen. Dabei sollten sie sich zu rhythmischer Rapmusik mit zwei Sätzen vorstellen und etwas Positives über sich mitteilen, später zu einer Walzermelodie einen Partner suchen und ein Tänzchen wagen. Zum Abschluss spielten wir Elternabend. Die Teilnehmer bildeten einen Kreis und verkörperten die Eltern. Die Aufgabenstellung war, dass nun nacheinander jeder einmal die Rolle des Lehrers übernehmen, durch die Runde gehen und sich vorher genau überlegen sollte, welchen Eindruck die Eltern von ihm mit nach Hause nehmen sollten.
    Es brach eine Welle des Protestes aus, was dieser Kindergartenkram solle. Einer verließ wütend den Raum, kam erst nach der Übungseinheit wieder. Einige versuchten mit Albernheiten das Persönlichkeitstraining zu boykottieren. Andere bewegten sich gar nicht. Nur 3 von 17 Lehrern nutzten diese Übung, um etwas über sich selbst zu erfahren, in erster Linie: Wie trete ich vor anderen Menschen in Erscheinung?

    Wie ernst soll man Lehrer nehmen, die täglich über die mangelnde Arbeitsbereitschaft von Schülern klagen – aber selbst nicht mehr Engagement an den Tag legen? Was sollen Schüler von Lehrern lernen, die mit dem Erhalt ihrer Examensurkunde glauben, bis ans Ende ihrer Tage die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben?
    Heranwachsende können im Schulalltag nicht unbedingt auf das Verständnis ihrer Lehrer hoffen – und reagieren mit dem entsprechenden Verhalten auf sie. Die Schüler spiegeln ihre Lehrer: Die Vermeidungshaltungen der Lehrer sind die Vermeidungshaltungen der Schüler. In erster Linie sind es Übersprunghandlungen, um sich nicht bloßgestellt zu fühlen. Eigentlich müssten nun gerade die Lehrer durch ihre eigenen Unzulänglichkeiten ein besonderes Verständnis für die Schamgefühle der Schüler aufbringen und mit viel Liebe und Einfühlungsvermögen den Heranwachsenden ermutigen können, über die Lebenshürden zu steigen. Doch dem ist nicht so: Weil die Erwachsenen selbst an sich zweifeln, zweifeln sie auch am Erfolg der Sprösslinge. Also halten sie fest an dem, was sie kennen, und lehren weiter Altbewährtes. Und so stößt jugendlicher Überschwang stets auf eine Nicht-möglich-Haltung und mündet in Resignation oder Auflehnung gegen altbewährte Hierarchien.
    Persönlichkeitsbildung gehört in die Schule und in jede Lehrerausbildung. Nur wer gelernt hat, seine eigenen Themen zu bearbeiten, nur der kann unterstützen, Mut machen und Verständnis entwickeln. Alle anderen projizieren ihre eigenen Defizite auf ihr Gegenüber. Das sind die Leute, die wutschnaubend den Raum verlassen, vor sich selbst fliehen, wenn es ernst wird – aber dem Schüler Leistungsverweigerung attestieren, wenn dieser sich aus Scham zurückhält. Jeden Tag müssen die Schüler in ihren Klassen ertragen, dass das Spotlight auf sie fällt. Wie will ein Mensch anderen Hilfe zur
Selbsthilfe leisten, wenn er es selbst nicht ertragen kann, wirklich »gesehen« zu werden?
    Die ideale Schule fängt mit der Persönlichkeitsbildung des Menschen an. Erst dadurch kann dieser zu Demut und Achtsamkeit vor dem Leben sensibilisiert werden und lernen, anderen Menschen mit Liebe und Respekt gegenüberzutreten. Unter

Weitere Kostenlose Bücher