Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen
guten Lehrer so zusammenfassen: Seine Arbeit ähnelt
der eines Gärtners, der viele verschiedene Pflanzen pflegt. Dabei weiß er, dass die eine Pflanze am besten in der Sonne gedeiht, eine andere im Schatten. Die eine mag es, am Ufer eines Baches zu stehen, die andere auf einer felsigen Bergspitze. Wieder eine andere gedeiht am besten auf sandigem Boden, die andere auf schwerem Lehm. Jede Pflanze muss die Pflege bekommen, die ihr entspricht, denn sonst wird sie sich nicht vollendet entwickeln.
Das sind völlig andere Gedankengänge, als sie bisher in der Lehrerausbildung vermittelt werden. Aber sie müssen Eingang in die Aus- und Weiterbildung von Lehrern finden. Denn ohne psychologische Kenntnisse kann ein Lehrer seine Schüler nicht auf die Erfolgsschiene bringen. Erst entsprechendes psychologisches Know-how hilft bei den täglich auftretenden Fragen und Situationen im Schulleben weiter: Wie vermeidet man Widerstände? Wie kann man den Widerstand eines Heranwachsenden so nutzen, dass er Lust zum Mitmachen bekommt? Wie kann man einen Schüler motivieren, der sich nicht traut? Wie stellt der Lehrer eine gute Beziehung zum Schüler her, damit dieser sich ihm öffnen mag und Lernen von Erfolg gekrönt wird? Mit welchen Wahrnehmungskanälen erfasst der Schüler seine Umwelt? Erst wenn diese Fragen beantwortet sind, kann sich der Lehrer damit befassen, welche Rückschlüsse er aus der Körpersprache des Schülers ziehen kann. Und er kann so mit den Schülern sprechen, dass er ihre Aufmerksamkeit erhöht. Er kann die Sprachmuster finden, die einen Schüler dazu ermutigen, Hindernisse zu überwinden. Er kann seinen Schülern helfen, ungünstige Glaubenssätze in positive umzuwandeln. Er kann seinen Schülern Zuversicht und das Gefühl von Erfolg vermitteln. Der Lehrer ist erst auf dieser Basis wirklich in der Lage, das Selbstwertgefühl der Schüler zu stärken und ihre Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen.
Die ideale Schule verhilft dem Lehrerberuf damit auch wieder zu Ansehen. Denn sie bringt Schülerpersönlichkeiten hervor, die sich den Herausforderungen des Lebens verantwortungsvoll stellen wollen und können. Sie fördert jedes einzelne Kind. Sie unterstützt die Lehrer in ihrem Auftrag, indem sie regelmäßige Hospitationen, Fortbildungen und Supervisionen zu ihrer Weiterbildung anbietet. Im Gegenzug erleichtert sie ihnen den bürokratischen Aufwand, damit sie sich in erster Linie ihrer Qualifizierung widmen können. Sie gesteht sowohl den Schülern als auch den Lehrern Entfaltungsspielraum und eigene Lernerfahrungen zu. Sie bietet den Schülern ebenfalls außerhalb des Unterrichts Weiterbildungsmaßnahmen an. Sie bindet Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Kultur in ihr Unterrichtsangebot mit ein. Sie lässt auch Nichtpädagogen ihr Expertenwissen den Schülern unterbreiten. Sie hat eine Schulleitung mit Managementerfahrung. Sie bezieht alle Personengruppen aktiv mit ein, die mit Schule zu tun haben. Sie überprüft selbstkritisch, was die Schüler gelernt und behalten haben, und verbessert fortlaufend ihre Unterrichtsqualität.
Die ideale Schule verfügt über ein Leitbild, wofür sie uneingeschränkt einsteht. Die ideale Schule ist gelungen, wenn sie Schüler ins Leben entlässt, die an sich glauben und wissen, was in ihnen steckt. In dieser Schule gibt es zufriedene Lehrer – sie sind die Mentoren ihrer Schüler und können wohlwollend auf ihr vollbrachtes Werk blicken. Ref 34
Das Leben benoten – funktioniert das?
Das Thema Notengebung spielt in unserem Schulsystem eine große Rolle. Ich möchte es dennoch nur am Rande behandeln, denn wie eine willkürliche Notengebung Schüler zu Verlierern abstempelt, hat bereits Sabine Czerny ausführlich in ihrem Buch »Was wir unseren Kindern in der Schule antun« erörtert.
Durch die Notengebung wird der Mensch kleingehalten, weil ständig Druck auf ihn ausgeübt wird. Das hat erzieherische Vorteile, denn so kann man den Schüler besser disziplinieren und möglicherweise seinen Ehrgeiz anstacheln. Doch die Folgen für den jungen Menschen können gewaltig sein: Versagensangst, Frustration, Verlust an Selbstwertgefühl und Schamgefühle. Wenn ich mein eigenes Leben betrachte, dann habe ich mich persönlich erst dann wirklich entwickelt, als jede Art von benoteter Leistungskontrolle wegfiel. Mir ist auch kein Schüler bekannt, der aufgrund schlechter Noten Motivation fürs Lernen entwickelt hat. Dagegen bevölkern viele unendlich frustrierte, unmotivierte
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