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Du oder der Rest der Welt

Du oder der Rest der Welt

Titel: Du oder der Rest der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Elkeles
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ich.
    »J-j-ja?«, sagt sie, das Wort wirft ein Echo in der Dunkelheit.
    »Komm, leg dich zu mir.«

50
     

Kiara
     
    Mein Herz flattert, und Erregung durchzuckt mich, als ich seine Worte höre. »Es ist d-d-dunkel. Ich kann nichts sehen.«
    »Folge meiner Stimme, chica . Ich werde nicht zulassen, dass du fällst.«
    Ich taste in die Dunkelheit, als wäre ich blind, und zittere unkontrolliert vor Nervosität oder wegen dem kalten Regen. Ich kann nicht sagen, was davon mich stärker zittern lässt. Als unsere Hände sich in der dunklen Nacht treffen, führt er mich zu den Decken. Ich lege meine Handtasche mit dem Kondom darin auf die Planken des Holzstegs. Dann hebe ich umständlich mein Kleid an, damit ich mich vor ihn setzen kann.
    Er schlingt seine starken, muskolösen Arme um mich. »Du zitterst«, sagt er und zieht mich mit dem Rücken an seine Brust.
    »Ich k-k-kann nicht anders.«
    »Ist dir kalt? Ich kann noch mehr Decken holen, wenn du …«
    »Nein, geh nicht. B-b-bleib bei mir.« Ich drehe mich, sodass meine Arme seine Taille umfassen. Ich schmiege mich an ihn, nicht bereit, ihn loszulassen, und genieße die Wärme, die sein Körper ausstrahlt. »Ich bin nur n-n-nervös.«
    Er streichelt mein Haar, das ganz nass vom Regen ist. »Ich auch.«
    »Carlos?«
    »Hm?«
    Da ich ihn nicht sehen kann, strecke ich die Hand aus und streiche über sein glatt rasiertes Kinn. »Erzähl mir etwas aus deiner Kindheit, an das du dich erinnerst. Etwas Gutes.«
    Es dauert lange, bis er antwortet. Erinnert er sich an nichts Schönes aus seinem Leben in Chicago?
    »Alex und ich haben nach der Schule immer alles Mögliche angestellt, während meine Mom noch arbeiten war. Alex hatte eigentlich die Verantwortung, aber das Letzte, was ein Dreizehnjähriger machen will, wenn er nach Hause kommt, sind seine Hausaufgaben. Wir veranstalteten diese Wettkämpfe, die wir die Fuentes-Spiele nannten, und dachten uns die haarsträubensten Wettbewerbe aus.«
    »Zum Beispiel?«
    »Alex hatte die dämliche Idee, die Strumpfhosen meiner Mutter oben abzuschneiden und Tennisbälle in die Beine zu tun. Er nannte das den Höschendiscus. Wir wirbelten sie herum wie Windmühlenflügel und schleuderten sie dann mit aller Kraft. Manchmal gewann der weiteste Wurf und manchmal der höchste.« Er kichert. »Wir waren so bescheuert zu glauben, meine Ma würde nicht darauf kommen, dass wir ihre Strumphosen auf dem Gewissen hatten, wenn wir sie ordentlich zurück in den Schrank legten.«
    »War sie streng mit euch?«
    »Lass mich einfach sagen, mein Arsch tut mir heute noch weh, und es ist sieben Jahre her.«
    »Autsch.«
    »Genau. Alex und ich haben damals viel Zeit miteinander verbracht. Einmal wollte ich ein Pirat sein, also bin ich in das Zimmer meiner Mutter gegangen, habe ihre Schmuckschatulle genommen und sie in dem Wäldchen hinter unserem Haus vergraben. Das meiste davon waren Modeschmuck und dämliche Anstecknadeln, die sie zur Arbeit tragen musste. Ich ging nach Hause und zeichnete eine Karte mit einem großen roten X, wo ich die Schatulle versteckt hatte. Dann habe ich Alex auf die Suche geschickt.«
    »Hat er sie gefunden?«
    »Nein.« Er lacht kurz. »Und ich auch nicht.«
    »Ist deine Mom ausgerastet?«
    »Ausrasten wäre noch untertrieben, chica . Jeden Tag nach der Schule ging ich in das Wäldchen, um ihre Juwelen auszugraben, aber ich konnte sie einfach nicht finden. Das Schlimmste ist, dass ihr Ehering in der Schachtel war. Sie hat ihn nicht getragen, da sie nach dem Tod meines Papás nicht riskieren wollte, ihn zu verlieren.«
    »Oh mein Gott. Das ist ja furchtbar.«
    »Ja. Damals war auch überhaupt nicht lustig. Aber eines Tages finde ich die Schatulle, wenn niemand anders sie vor mir gefunden hat. Okay, du bist dran. Was hast du getan, um den allmächtigen Professor und die Queen Mom des Bio-Tees so richtig auf die Palme zu bringen?«
    »Einmal habe ich die Autoschlüssel meines Dads versteckt, damit er nicht zur Arbeit fahren konnte«, erzähle ich ihm.
    »Nicht schlimm genug. Erzähl mir etwas anderes.«
    »Ich habe so getan, als sei ich krank, damit ich nicht zur Schule musste.«
    »Oh, bitte. Darin war ich der Champion. Hast du nichts richtig Übles für mich? Oder warst du dein ganzes Leben eine Heilige?«
    »Wenn ich sauer auf meine Eltern war, habe ich ihre Zahnpasta mit Tabascosoße aufgepeppt.«
    »Jetzt kommen wir der Sache näher. Korrekt.«
    »Aber meine Eltern haben mich nie geschlagen. Sie halten nichts davon. Dafür habe

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