Du sollst meine Prinzessin sein
ihre Schwester lag nicht im Koma, sondern saß aufrecht im Bett und hielt ein Baby in den Armen. Ein junger Mann war ebenfalls dort. Beide hatten den Blick fest auf das Baby gerichtet. Lizzy sahen sie nicht. Sie schauten nicht einmal auf.
Dann betraten ihre Eltern das Zimmer. Sie gingen an Lizzy vorbei, den Arm voller in hellblauem Papier eingepackter Geschenke. Sie versuchte einen Schritt nach vorn zu machen, doch es gelang ihr nicht. Auch sie trug ein Geschenk für dasBaby, aber das ganze Bett war schon übersät mit Geschenken, und nur noch am Fußende gab es Platz. Das Päckchen glitt zu Boden. Ihre Mutter sah sie böse an. „Was tust du denn hier?“, fragte sie. „Maria braucht dich nicht. Niemand braucht dich. Und es will dich auch niemand.“
Dann griff ihre Mutter nach dem Vorhang, zog ihn um Marias Bett und schloss Lizzy aus.
Lizzy erwachte. Sie fühlte sich schuldig.
Sie hatte etwas genommen, was ihr nicht gehörte. Sie wandte den Kopf. Ben schlief noch auf der anderen Seite des Doppelbetts, sein kleiner Körper halb unter den leichten Decken verborgen. Ben, der Sohn ihrer Schwester. Lizzy hatte ihn einfach an sich genommen, obwohl sie kein Recht dazu hatte.
Und nun hatte sie schon wieder etwas genommen, zu dem sie kein Recht hatte. Etwas, das sie ganz und gar nicht verdiente.
Und doch war ihr zugleich bitter bewusst, dass der Diebstahl seine eigene grausame Strafe bereits mit sich gebracht hatte. Grotesk hatte sie die Idee einer Hochzeit genannt, die Idee einer Ehe zwischen den unterschiedlichsten Menschen der Welt.
Ben regte sich und schlug die Augen auf. Vertrauensvoll. Sofort glücklich, sie zu sehen. Er wusste, wenn Lizzy da war, war alles gut.
Kälte fuhr durch ihre Adern. Es hätte alles ganz anders kommen können.
Sie hätte auf dem Rückweg nach England sein können. Des Landes verwiesen. Ben eingesperrt im Palast. Niemals hätte er sie wiedergesehen.
Das Entsetzen über das, was hätte sein können, lähmte ihre Sinne.
Aber Prinz Enrico hatte sie gerettet.
Neuerliche Schuldgefühle stiegen in Lizzy auf. Er hatte sie gerettet, und sie belohnte ihn damit, dass sie ihn an sich fesselte.
„Mummy?“ Ben setzte sich auf. „Ist es schon Zeit fürsFrühstück?“, fragte er fröhlich. „Ist Tio Rico hier?“ Er sah sich erwartungsvoll um. „Wo sind wir, Mummy? Wieder in dem Palast?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, mein Schatz. Dorthin gehen wir nie wieder zurück.“ Sie schlüpfte aus dem Bett. „Lass uns herausfinden, wo es Frühstück gibt. Ich sterbe vor Hunger.“
Erst jetzt sah sie sich um. Das Zimmer war groß und luftig. Sonnenlicht drang durch die hellen Jalousien. Die Möbel waren schlicht, aber elegant, die Wände weiß, helle Fliesen bedeckten den Boden. Ihre Stimmung verbesserte sich.
Capo d’Angeli. Sie hatte davon gehört. Ein Ort, an den nur reiche Menschen kamen, diskret und stilvoll. Eine exklusive luxuriöse Rückzugsmöglichkeit an der italienischen Küste. Hier gab es keine Hotels, nur Villen auf großen Privatgrundstücken mit Blick auf das Meer.
Jemand hatte ihren Koffer ins Zimmer gebracht. Mit einem freudigen Aufschrei stürzte Ben sich auf seinen Teddybären und seine Lieblingseisenbahnen.
Sie brauchten nicht lange, um sich anzuziehen. Als sie fertig waren, zog Lizzy die Jalousien zurück. Dahinter befand sich eine Terrassentür, dahinter eine weitläufige Veranda und dahinter …
„Mummy! Das Meer! Es ist viel blauer als das zu Hause.“
Sie öffnete die verglaste Tür. Warme Luft umfing sie wie eine Umarmung. Ben rannte zu der steinernen Brüstung und blickte über die Wipfel der Pinienbäume auf das türkisblaue Wasser, das in der Morgensonne glitzerte.
„Glaubst du, es gibt einen Strand?“, fragte er aufgeregt.
„Oh ja, es gibt einen Strand.“
Die Stimme kam von dem anderen Ende der Terrasse. Ein schmiedeeiserner Tisch stand dort unter einem blau gestreiften Sonnenschirm. Auf dem Tisch war ein üppiges Frühstück aufgebaut. Aber Lizzy bemerkte das Essen gar nicht, sie hatte nur Augen für den Mann, der dort im Schatten saß.
Sie verspürte ein flaues Gefühl im Magen. Rico sah fantastisch aus. Sein weißer Morgenmantel bildete einen wunderbaren Kontrast zu der sonnengebräunten Haut. Der tiefe Ausschnitt zeigte die glatte muskulöse Brust. Hastig wandte sie den Blick ab. Nicht dass es viel geholfen hätte, ihre Aufmerksamkeit auf einen anderen Teil seines Körpers zu lenken. Auch seine Unterarme waren entblößt, weil er die Ärmel
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