Du sollst nicht lieben: Roman (German Edition)
Handy vom Armaturenbrett genommen und den Polizei-Notruf gewählt hatte, wie unendlich erleichtert sie gewesen war, weil sie meinte, dass nun alles gut würde. Sie erinnerte sich, dass der Mann das Handy für sie entsperrt und es ihr noch einmal gegeben hatte. Er hatte sie etwas gefragt, aber sie hatte ihn nicht verstanden, weil ein Auto näher kam und es so laut war. Gleichzeitig hatte sie Gregs Nummer gewählt. Sie schluckte, als ihr einfiel, wie sie vor lauter Adrenalin im Blut so sehr gezittert hatte, dass sie Mühe hatte, beim Wählen die richtigen Ziffern zu treffen.
Genau dieser Moment stand ihr jetzt klar vor Augen. Sie hatte sich nicht getäuscht.
Gregs Nummer war in dem Telefon gespeichert gewesen.
Sie hatten für Greg eine Rufweiterleitung von ihrem Festnetzanschluss auf sein Handy eingerichtet, damit er auch dann keinen Anruf verpasste, wenn er zum Arbeiten weg war. Wollte sie Greg anrufen, tippte sie einfach ihre Festnetznummer ein. An dem Tag auf der Landstraße war, kurz bevor sie das Handy ans Ohr genommen hatte, ein Name im Display erschienen, nicht nur die Nummer, die sie gewählt hatte. Langsam trat sie hinter dem Baum hervor. Sie konnte sich nicht an den Namen erinnern, aber sie wusste, dass es nicht »Greg« gewesen war, denn das wäre ihr mit Sicherheit aufgefallen. Sie setzte sich wieder in Bewegung.
Warum war ihre Nummer im Telefon dieses Mannes gespeichert? Warum war er hier, in Maida Vale? Sie hatte versucht, Greg anzurufen, aber er war nicht drangegangen, und dann hatte der Mann ihr sanft, wirklich sanft, das Telefon aus der Hand genommen und sie umarmt. Die Geste eines Fremden, der zufällig zugegen war und einer aufgelösten Frau beistehen wollte.
Der Wind trieb welke Blätter vor sich her. Was hatte der Mann gesagt? Nichts Besonderes. Er hatte ein paar tröstliche Floskeln gemurmelt und sie gehalten, während sie weinte. Aber ihr fiel wieder ein, was die Polizistin gesagt hatte: »Sie haben Glück, dass er so langsam gefahren ist. Sie hätten sich sonst schwere Verletzungen zuziehen können.« Sie blieb stehen und starrte zu ihrem Haus hinüber. Warum war er langsam gefahren? Weil er gewartet hatte. Auf eine Wendemöglichkeit? War er einfach nur vorbeigefahren?
Greg wusste, wo sie gewesen war. Greg wusste, was sie durchgemacht hatte. Und nun kam ihr zum ersten Mal ein wirklich furchtbarer Gedanke. Er war nicht zurückgekommen, weil Liz ihn angerufen hatte. Er war gekommen, weil er gehört hatte, was im Haus Hayersleigh passiert war. Zwischen Greg und Adam gab es eine Verbindung – sie wusste nur noch nicht, welche.
Jetzt rannte sie los.
»Alles in Ordnung?« Für den Bruchteil einer Sekunde fürchtete Troy, Greg könnte ohnmächtig werden. Der Kerl war so weich, der wollte gestreichelt werden. Die erfundene Geschichte über einen Drogendealer, in die der Name Francesca eingeflochten war, hatte tatsächlich bewirkt, dass dieser erwachsene Mann sich ihm in die Arme warf wie ein Baby.
»Tut mir leid, tut mir leid. Das ist einfach ein Schock.« Sein Blick schweifte hierhin und dahin, fand keine Ruhe. »Es ist so lange her, dass ich den Namen gehört habe, und plötzlich, seit gestern, muss ich das alles wieder …« Er verstummte und fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar.
Der Mann sah mitgenommen aus, physisch krank.
»Francesca, mein Gott …«
»Genau. Francesca.« Troy entblößte seine neuen Zähne. Er kam der Sache näher.
Und er sah, wie Greg ihn anstarrte. Offenbar versuchte er, seinen letzten Rest Männlichkeit zu mobilisieren.
»Ein Anruf vom Festnetzanschluss hier im Haus?« Es trat eine kurze Pause ein. »Aber ich bin erst vor drei Jahren hier eingezogen. Und Francesca ist vor über zwölf Jahren gestorben.«
»Na ja, um genau zu sein: Es war ein Anruf von dieser Nummer. Haben Sie Ihre Nummer bei dem Umzug mitgenommen?«
Greg sah ihn verständnislos an. Troy versuchte es noch einmal.
»Haben Sie vorher auch schon hier in der Gegend gewohnt und Ihre Telefonnummer beim Umzug mitgenommen?«
Offenbar war er nur in der Lage, die allereinfachsten Fragen zu beantworten.
»Ich habe in Maida Vale gewohnt. Also ja, ich habe die Nummer mitgenommen.«
Troy nickte. »In welcher Beziehung standen Sie zu Francesca?«
Er zog ein Notizbuch aus der Tasche und schrieb etwas hinein. Als er aufblickte, starrte Greg ihn auf eine Weise an, die ihn spontan einen Schritt zurückweichen ließ.
Langsam, als sei erst jetzt wirklich in seinem Hirn angekommen, was Troy ihm
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