Du sollst nicht schlafen: Thriller (German Edition)
Haar. Dabei merkte ich, dass etwas nicht stimmte, denn sie hatte ihren Zopf nicht so geflochten wie sonst. Es war einnormaler Pferdeschwanz, der hin und her wippte. Vielleicht war der Zopf aufgegangen?
»Keine Sorge, Katrina«, sagte ich. »Ich mache dir genau die Frisur, die du so gern magst.« Inzwischen hatte ich das so oft gemacht, dass ich den französischen Zopf ganz leicht hinbekam. Als ich damit fertig war, setzte ich sie auf und lehnte sie mit dem Rücken an die Holzwand. Mittlerweile war mir ganz schlecht vor Angst. Warum wachte sie bloß nicht auf?
Dann hatte ich wieder einen Aussetzer. Das Nächste, was ich weiß, ist, dass ich wieder in Little Venice war, völlig durchnässt auf dem Boden des Boots lag und versuchte, die Bilder zu verdrängen, die mir ständig durch den Kopf gingen, Bilder, in denen ich Katrina etwas Schreckliches antat. Ich lag da, kniff die Augen zu und zählte immer wieder bis zehn, sagte mir, dass alles nur ein böser Traum gewesen war.
Und stellte fest, dass ich recht hatte! Denn Katrina kam nach Hause . Sie sagte, es tue ihr leid, dass sie so spät dran sei. Was für eine Erleichterung, was für eine wunderbare Erleichterung!
»Guter Gott, Jeff!«, sagte sie, stellte ihre Tasche ab und zog den Mantel aus. »Du bist ja klatschnass! Bist du in den Kanal gefallen?«
Ich bekam kein Wort raus, die Tränen schnürten mir einfach die Kehle zu. Aber ich spürte, wie ich unter den Tränen breit und dümmlich voller Liebe lächelte. Katrina. Meine wunderschöne, treue Frau. Das Ganze war nur ein furchtbarer Albtraum gewesen. Von dem Anti-Schlaf-Mittel. Eine Nebenwirkung nennt man das wohl.
Doch dann sagte Katrina: »Was ist denn mit deinem Gesicht passiert?«, und mein Lächeln erstarb.
Ich ging in unser kleines Bad, wo ich sehr lange blieb und auf die tiefen roten Schrammen auf meiner Wange starrte.Ich versteckte sie unter einem Pflaster und behauptete, ein Ast hätte mich getroffen, als ich im Dunkeln den Treidelpfad entlanggelaufen sei.
Am nächsten Tag glaubte ich es selbst.
Cynthia kontrollierte zweimal ihren Shifter-Schimmer, bevor sie die Tür öffnete. Sie hatte gar nicht gemerkt, dass es draußen regnete, bis Damien mit einem nassen Schirm hereinkam. Er hatte einen dicken roten Ordner unter den Arm geklemmt.
»Guten Morgen«, sagte er, lehnte den Schirm an die Wand und zog seinen Mantel aus. »Na, wie stehen die Chancen auf ein Gourmet-Frühstück?«
Cynthia ging in die Küche voraus und sah lächelnd über die Schulter. »Du kennst mich ja. Müsli aus der Packung ist das Äußerste, was ich gourmettechnisch zu bieten habe.«
Als Damien vorgeschlagen hatte, vor der Arbeit auf ein kurzes Frühstück vorbeizuschauen, hatte sie die Chance dankbar beim Schopf ergriffen. Sie wusste, dass er um acht in der Arbeit sein musste, und hatte ihren Wecker deshalb auf halb sechs gestellt, um vor seinem Eintreffen noch sorgfältig New Beginnings aufzutragen.
In der Küche schaltete sie den Wasserkocher ein, und Damien legte seinen Ordner, der voller gelber Klebezettel war, vor sich auf den Küchentisch.
»Was ist das?«, fragte sie.
»Rohdaten von einer Studie«, erwiderte er. »Ich gehe sie noch mal durch, um sicherzustellen, dass wir beim ersten Durchgang nichts übersehen haben.«
»Das ist ja ganz was Neues! Seit wann nimmst du Arbeit mit nach Hause?«
Achselzuckend strich er über das Etikett auf dem Deckel. »Ich gehöre seit zwei Monaten zu dem Team, das für die klinischen Testphasen verantwortlich ist. Unser Supervisorverlässt die Firma Ende nächsten Monats. Ich möchte seine Nachfolge antreten.«
Cynthia holte die Kaffeepackung aus dem Schrank. Während sie Bohnen in die Kaffeemühle schüttete, unterdrückte sie ein Gähnen. »Das ist ganz schön … ehrgeizig, oder? Wenn du den Job erst seit zwei Monaten machst? Werden die nicht jemanden mit mehr Erfahrung befördern?«
Das laute Rattern der Kaffeemühle erzwang eine Gesprächspause. Als Cynthia sich wieder umsah, blätterte Damien träge in seinem Ordner und grinste zufrieden vor sich hin. »Ich kann doppelt so viel arbeiten wie andere Kollegen im selben Zeitraum: Das ist auch der Geschäftsleitung aufgefallen.«
Cynthia holte Milch aus dem Kühlschrank und wartete darauf, dass das Waser kochte. »Verstehe«, sagte sie bemüht neutral. »Mit anderen Worten: Sie sind Schläfer. Und du arbeitest, während sie sich ausruhen.«
»Genau.«
Cynthia musste an Marcus denken. An ihren vergeblichen Versuch, mit ihm
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