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Du stirbst zuerst

Du stirbst zuerst

Titel: Du stirbst zuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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gesummt hat?«
    »Das Summen stammte von einem Handy?«
    Doktor Vanek zieht die Augenbrauen hoch und trommelt mit den feisten Fingern auf den Tisch. »Er stellt immer den Vibrationsalarm ein, um die Patienten nicht zu erschrecken. Das hat in Ihrem Fall aber offenbar nicht funktioniert. Sagen Sie mal, Michael, wofür haben Sie es denn gehalten?«
    »Ich dachte, es war … keine Ahnung.«
    »Sie haben doch sicher lange genug darüber nachgedacht, um sich irgendeine Erklärung zurechtzulegen. Eine Hose fängt nicht einfach so an zu summen, und Ihre heftige Reaktion auf das Geräusch zeigt, dass Sie es bemerkt haben.«
    »Ich dachte, es war …« Ich breche ab. Ich kann ihm doch meine Gedanken nicht preisgeben. Soweit ich weiß, ist Vanek in den Plan eingeweiht. »Ich hatte ja keine Ahnung, dass es ein Handy war.«
    »Aber das war es«, bekräftigt er. »Und das bringt mich auf meine Frage zurück: Warum haben Sie solche Angst vor Telefonen?«
    »Es sind nicht alle Telefone, nur Handys«, erwidere ich. »Es geht nicht einmal um die Handys selbst, sondern lediglich um die Signale, die sie aussenden und empfangen. Bei normalen Telefonen ist alles in den Leitungen gefangen, aber Handys strahlen ringsum ab.« Nervös sehe ich mich um, ob ein anderer Arzt mithört. Sie sollen nichts erfahren, was sie als verrückt interpretieren könnten. »Warum fragen Sie mich danach?«
    »Weil ich Psychiater bin.«
    »Sie sind nicht mein Psychiater. Nicht mehr.«
    »Ich habe mit der Klinik einen Forschungsvertrag geschlossen«, erklärt er. »Mit Zustimmung der Ärzte habe ich begrenzten Zugang zu allen Patienten.«
    »Und Doktor Little hat Ihnen erlaubt, mich zu besuchen? Ich habe den Eindruck, er kann Sie nicht sonderlich gut leiden.«
    »Ich mag ihn auch nicht.« Vanek hebt die Schultern. »Gott sei Dank können wir auf beruflicher Basis gut miteinander umgehen.«
    Devon hatte ein Handy. Das alles ist nur passiert, weil ein Handy geklingelt hat. Ist das die Methode, mit der sie mich kontrollieren – ein äußeres Signal von einem Handy in der Nähe? Ich lächle. Möglicherweise ist das ganz gut so. Wenn sie eine äußere Signalquelle brauchen, dann haben sie mir keinen Sender eingepflanzt. Deshalb kann ich fliehen und werde frei sein, solange ich außer Reichweite ihrer Signale bleibe. Vielleicht ist das der Durchbruch, auf den ich schon so lange warte.
    »Nun?«, fragt Doktor Vanek. »Was meinen Sie? Warum haben Sie Angst vor Handys?«
    Ich schnalze mit der Zunge und nehme mir ein Stück Putenfleisch vom Frühstückstablett. »Ich bin nicht verrückt.«
    Vanek nickt. »Vernünftigere Worte hat noch nie jemand ausgesprochen. Sagen Sie mal, Michael, haben Sie noch mehr Gesichtslose gesehen?«
    Ich schüttle den Kopf. »Natürlich nicht. Sie haben mir doch selbst gesagt, dass sie nicht real sind.« Ich knirsche mit den Zähnen. »Ich bin nicht verrückt.«
    Er lächelt schmallippig. »Vor zwei Wochen haben sie deren Existenz als Beweis für Ihre geistige Gesundheit angeführt. Jetzt benutzen Sie deren Nichtexistenz als Beweis für das Gleiche. Entweder, Sie waren damals verrückt, oder Sie sind es heute. Da Sie die Gesichtslosen selbst ins Spiel gebracht haben, muss eine der beiden Möglichkeiten zutreffen.« Er steht auf. »Wenn Sie das nächste Mal mit Doktor Little reden, sollten Sie etwas sorgfältiger über Ihre Geschichte nachdenken.«
    Er geht, und ich starre das Tablett an. Er hat recht. Ich kann nicht behaupten, geheilt zu sein, ohne zuzugeben, dass ich vorher wenigstens für eine Weile verrückt war. Ich nicke und suche nach einem Ausweg.
    »Zeit für die Medizin«, sagt Devon. Ich schrecke in­stink­tiv zurück. Ob sein Handy wieder anschlägt? Er stellt einen kleinen Plastikbecher auf den Tisch, in dem zwei Loxitantabletten liegen, halb grün und halb braun, wie in Tarnfarben gekleidet. »Alles in Ordnung?«
    »Super«, sage ich und nehme den Becher. Es ist egal, was sie denken, ich kann fliehen. »Mir geht es gut, danke.« Ich schlucke die Pillen und spüle mit Apfelsaft nach. Es wird Zeit, von hier zu verschwinden.



Jemand schleicht nachts über den Flur. Es ist aber nicht die hübsche Nachtschwester Shauna. Deren Schritte sind weich und sanft, als trüge sie Pantoffeln. Manchmal höre ich sie über den Flur gehen, wenn sie unsere Vitalfunktionen überprüft und Medikamente ausgibt. Sobald sie aber innehält und es auf dem Gang still wird, höre ich die anderen Schritte. Sie sind schwer und laut, und die Abstände

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