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Du stirbst zuerst

Du stirbst zuerst

Titel: Du stirbst zuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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an die Phantasie klammert.
    »Es kann nicht real sein«, sage ich und widerspreche mir sofort selbst. »Du musst real sein.«
    »Wäre ich es doch nur!«
    »Du musst real sein!«, rufe ich. Sie zuckt zurück und entzieht sich meinem Griff. »Ich kann dich sehen und fühlen und sogar riechen.«
    »Ich existiere nur in deinem Kopf.«
    »Du bist klüger als ich.« Hilflos hebe ich die Hände. »Du hast einen größeren Wortschatz als ich und erwähnst Menschen, die ich nie getroffen habe. Wie kann ich mir das alles einbilden?«
    »Du hast vieles gehört«, widerspricht sie und kommt wieder näher. »Du hast vieles gesehen und gelesen und alles aufgesaugt wie ein Schwamm. Es ruht in deinem Unterbewussten, und wenn du mit mir sprichst, kommt es wieder zum Vorschein. Du weißt nichts davon, der bewusste Michael Shipman kennt es nicht, aber es ist alles da. Aus welchem Grund auch immer hat dein Gehirn entschieden, dass Lucy Briggs sich erinnern kann, auch wenn es dir entglitten ist.«
    Ich setze mich auf die Bettkante. Lucy zieht meinen Kopf an ihre Schulter. Ich weiß, dass sie da ist, und weiß doch, dass es nicht so ist. Ich starre ihr ins Gesicht – ein schönes Gesicht, zart und stark zugleich. Das Mädchen von nebenan, das zugleich ein Supermodel ist. Ich lache.
    »Ich hätte gleich merken sollen, dass es zu schön ist, um wahr zu sein, was?« Ich nehme ihre Hand und halte sie fest, die weiche, warme, lebendige Hand. »Die ideale Frau, klug und gewitzt, ein wundervoller Anblick, verliebt sich ausgerechnet in einen Niemand.«
    »Du bist kein Niemand.«
    »Ich bin ein obdachloser Psychiatriepatient mit Highschoolabschluss und einem schrecklichen Job, den mir ein Sozialarbeiter beschafft hat. Wärst du real, hättest du einen reichen Freund und ein Penthouse in der Innen­stadt.«
    »Ich habe ein Penthouse in der Innenstadt.«
    »Weil ich es mir für dich eingebildet habe! Weil ich so ein einsamer, erbärmlicher Versager bin, dass ich mir die vollkommenste Freundin erschaffen habe, die mir nur einfallen konnte.«
    »Hör mal, Michael, ich kann dir helfen.«
    »Geh weg!«
    »Wenn ich wirklich in deinem Kopf bin und mich an Einzelheiten erinnere, die du nicht mehr weißt, kann ich vielleicht auch andere Ereignisse hervorholen.«
    Ich wende mich zur Wand um. »Lass mich in Ruhe.«
    »Doktor Vanek meint, deine Halluzinationen könnten auf realen Erlebnissen beruhen, an die du dich nicht erinnerst, weil du dir nicht selbst in den Kopf schauen kannst.« Sie stellt sich vor mich, und ich wende mich wieder ab. »Michael, ich bin sowieso schon in deinem Kopf. Wenn diese Erlebnisse dort drin sind, finde ich sie vielleicht.«
    »Verdammt, Lucy, du bist nicht real!«
    »Natürlich bin ich real!«, ruft sie. »Ich existiere nicht für die anderen, aber für dich bin ich da. Ich kann denken, oder? Also bin ich da.«
    »Du denkst, was ich dir eingebe – du hast keinen eigenen Willen.«
    »Entspricht das deiner idealen Freundin?«
    »Was?« Ich sehe sie an. In ihren Augen schimmern Tränen, in den weichen, traurigen und unendlich tiefen Augen.
    »Wenn das wahr ist«, sagt sie, »wenn du deine ideale Freundin erschaffen hast, wäre sie dann wirklich so schwach? Hätte sie wirklich keine Willenskraft? Keine Zielstrebigkeit, keine eigenen Gedanken?«
    Es bricht mir schon wieder das Herz. »Natürlich nicht.«
    »Ich liebe dich«, sagt sie. »Wer hat dir immer wieder gesagt, du sollst den Job behalten, wenn du aufgeben wolltest? Wer hat dich überredet, am Lesekurs teilzunehmen? Ich habe einen eigenen Willen, weil du mich nicht lieben könntest, wenn ich keinen eigenen Willen hätte. Du weißt nämlich, dass es in der Liebe nicht nur darum geht, die Menschen so anzunehmen, wie sie sind, sondern auch darum, sie zu etwas Besserem zu machen. Wir machen uns gegenseitig besser, Michael.« Tränen schießen ihr in die Augen. Winzige Wassertropfen, die wie Diamanten funkeln. »Lass es mich wenigstens versuchen.«
    »Michael, ist bei Ihnen alles in Ordnung?«
    Ich blicke über Lucys Schulter hinweg zur Tür. Der Nachtwächter kommt herein. »Ich habe Rufe gehört«, sagt er. »Alles in Ordnung, Kumpel?« Er kommt einen Schritt näher, geht direkt auf Lucy zu, die ihm ausweicht.
    »Warum bist du ihm ausgewichen?«, frage ich, ohne auf den Wächter einzugehen. Aufgebracht starre ich sie an. »Als Halluzination kannst du doch einfach stehen bleiben, und er geht durch dich hindurch.«
    »Mit wem reden Sie?«, fragt der Wächter.
    »Dein Gehirn

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