Du und ich und all die Jahre (German Edition)
mich da von ein paar Verkäuferinnen einschüchtern lassen?), ziehe den Bauch ein, nehme die Schultern zurück und gehe rein!
Die Verkäuferinnen sind wirklich nett. Sie bleiben unerschütterlich freundlich, rufen bewundernd «Ooh» und «Aah», als ich das Kleid anprobiere, und empfehlen mir passende Schuhe und Schmuck zu dem Outfit. Das Kleid ist großartig: Es umspielt meinen Körper, schmiegt sich eng an die richtigen Stellen, schmeichelt meiner Figur und ist elegant. Perfekt. Und nur einen Hauch unter tausend Dollar. Schnell schiebe ich meine Kreditkarte über den Verkaufstresen, bevor ich einen Rückzieher mache. Schuldbewusst beiße ich mir auf die Unterlippe: Dom bringt mich um. Hm, ich werde ihm einfach nicht sagen, was das Kleid gekostet hat.
Danach verlasse ich den Laden, und mir ist schwindelig, ich fühle mich schuldig und beglückt. Ich liebe das Kleid. Ich werde es hundert Mal tragen. Auf diese Weise kostet es nur zehn Dollar pro Tag. Weniger sogar. Ein Schnäppchen. Hey, schließlich habe ich wenigstens nicht die Schuhe für vierhundert Dollar dazu genommen. Es hätte also viel schlimmer kommen können.
Schnell gehe ich weiter und meide den Blick in die Schaufenster. Gnade Gott, ich entdecke jetzt was, das mir noch besser gefällt – und dann vielleicht noch zum halben Preis. Das könnte ich nicht ertragen. Ich muss runter von der Madison Avenue. Also biege ich rechts ab und gehe einen Block weiter, überquere die Park zur Lexington Avenue. Dann stehe ich an der Ecke 70th Street, eine Adresse, die mir entfernt bekannt vorkommt. Ich habe sie vor kurzem irgendwo gelesen, kann mich aber nicht daran erinnern, wo.
Es dauert einen Augenblick, dann fällt es mir ein: in der Signatur einer E-Mail, die ich kürzlich bekommen habe. Die Büros von Zeitgeist Productions befinden sich an der Ecke Lexington und 20th – einen Block weiter. Aidan arbeitet an der nächsten Ecke. Ich kann nicht anders – ich muss dahin und es mir ansehen.
Mit Schmetterlingen im Bauch gehe ich an den Glastüren vorbei bis zur Nummer 502. Einen Augenblick bleibe ich stehen, um mir die Liste der Namen durchzulesen, die auf der Chromtafel an der Seite des Gebäudes eingraviert sind: Markowitz & Brown, Parker Prince Publishing, Zeitgeist Productions. Das Büro liegt im zehnten Stock. Ich trete auf dem Bürgersteig ein paar Schritte zurück und recke den Hals, um mir die Fenster anzusehen, hinter denen ich eine Weile arbeiten könnte, wenn ich den Mut dazu hätte.
Das hier ist schon etwas ganz anderes als mein Mansardenbüro mit Blick auf Wimbledon Common. Eine Schneeflocke landet auf meinem Augenlid. Der Schneesturm ist unterwegs, und ich sollte mich schnellstens ins Warme verziehen.
Ich gehe einige Blocks in nördlicher Richtung, bevor ich in einem kleinen italienischen Café mit beschlagenen Fenstern Schutz suche. Es gibt keinen einzigen freien Tisch, nur einen Platz links am Tresen. Ich stoße eine Frau in Hosenanzug und hochhackigen Schuhen aus dem Weg, belege den letzten freien Platz im Haus, winke dem Kellner und bestelle mir ein Glas Rotwein. Dann esse ich eine riesige Schüssel Linguini mit den köstlichsten Hackbällchen, die ich je kosten durfte, und beobachte, wie die Welt draußen vorbeirauscht. Das ist besser als Kino. Ich beende mein Mittagessen so gegen zwei Uhr und nehme Kurs auf die Met. Der Himmel ist jetzt dunkelgrau, und es sieht wirklich nach Sturm aus. Ich komme wieder am Zeitgeist-Büro vorbei – diesmal auf der anderen Straßenseite –, und da sehe ich ihn. Aidan. Er steht vor dem Gebäude und spricht mit einer rothaarigen Frau. Sie lachen über etwas. Die Frau küsst ihn auf die Wange und geht dann fort. Ich stehe einfach nur wie gelähmt da. Er trägt Jeans und eine Lederjacke mit hochgeschlagenem Kragen. Er sieht schlanker aus und ist braun gebrannt. Sein Haar ist kürzer, aber ansonsten hat er sich nicht verändert. Aidan geht zur Eingangstür, und mir wird schwindelig. Ich will ihn rufen, aber er kann mich wegen des Straßenlärms unmöglich hören. Warum müssen New Yorker Autofahrer ununterbrochen auf der Hupe stehen? Aidan ist schon fast durch die Tür, doch dann dreht er sich plötzlich um und sieht mir direkt in die Augen. Er steht einfach nur da, wie erstarrt, und schaut mich an. Ich weiß nicht, was ich tun soll, also winke ich halbherzig. Er winkt zurück.
Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis es ihm gelingt, die Straße zu überqueren. Ich stehe mitten auf dem Bürgersteig und
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