Du weckst mein Verlangen
schon mit Emma vor dem Kamin sitzen sehen: Sie nippten an dem milden Malzwhiskey, den Cordelia für besondere Anlässe bereithielt. Diese hatte sich bereits in ihr Schlafgemach zurückgezogen, und Rocco ließ seinen Charme spielen, um Emmas Widerstand zu brechen. Ihre kühle Antwort brachte ihn schlagartig auf den Boden der Tatsachen zurück.
„Werden Sie erwartet?“ Vielleicht hat sie ja einen Freund? überlegte er.
„Von meiner dreijährigen Tochter.“ Sie warf einen Blick auf die Uhr auf dem Kaminsims. „Ich hätte Holly schon vor einer Stunde abholen müssen. Glücklicherweise meinte die Kinderfrau, ich könne sie ruhig länger bei ihr lassen. Aber jetzt muss ich wirklich gehen.“
„Kann denn der Vater sie nicht abholen?“
Rocco konnte nicht sagen, wer von dieser persönlichen Frage mehr überrascht war: er oder Emma. Was ist nur in mich gefahren? So kannte er sich überhaupt nicht. Er blickte auf Emmas Ringfinger, an dem unübersehbar ein schlichter Goldreif prangte.
„Nein.“ Dies musste als Antwort genügen. Emma wollte jetzt wirklich los, um sich endlich um ihre Tochter zu kümmern. Sie bemerkte zwar Roccos befremdeten Blick, aber darauf konnte sie im Moment keine Rücksicht nehmen. „Ich hole nur schnell meine Stiefel und die Jacke, und dann fahre ich. Cordelia, du bleibst bitte hier im Warmen!“, fügte sie hinzu, als die alte Dame Anstalten machte aufzustehen. „Wir sehen uns am Montag.“
„Vergiss die Mütze nicht!“, rief Cordelia. „Ich bin froh, dass ich sie dir gestrickt habe. Bei diesem Wetter kannst du sie wirklich brauchen.“
Emma unterdrückte einen Seufzer. Diese schreckliche Mütze, dachte sie. Das Teil ähnelte eher einem Teewärmer, aber Cordelia war so stolz auf ihr Werk, dass Emma es nicht geschafft hatte, das Geschenk abzulehnen. Und natürlich fühlte sie sich verpflichtet, sie auch zu tragen. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie ein amüsiertes Zucken um Roccos Mundwinkel und spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss.
Er wartete in der Eingangshalle auf sie, als sie schließlich dick vermummt auf die Haustür zuging. Plötzlich wünschte Emma sich, sie würde ihren eleganten grauen Wollmantel tragen und nicht diese unförmige Daunenjacke.
„Ich bringe Sie zum Wagen“, sagte er und öffnete die Tür. Der Schnee fiel in dichten Flocken, und Emma schickte wieder einmal ein Dankgebet zum Himmel, dass ihr Vater ihr den Geländewagen mit dem Allradantrieb geschenkt hatte.
„Das ist nicht nötig“, wehrte Emma ab.
Rocco ignorierte ihre Worte und folgte ihr. „Ich habe mich noch gar nicht für meine Rettung bedankt“, meinte er. Sein Gesicht lag im Schatten, aber seine Augen funkelten. Wie bei einem Raubtier, schoss es Emma durch den Kopf.
„Gern geschehen.“ Emma zögerte. „Wissen Sie, ich bin froh, dass Sie hier sind. Ich habe mir solche Sorgen um Cordelia gemacht. Wie lange werden Sie denn bleiben?“
„Ich weiß nicht genau“, gestand Rocco. Ihm war klar, dass er nicht nach dem Wochenende sofort wieder abreisen konnte. Andererseits konnte er auch nicht ewig in England bleiben. Schließlich musste er sich in Italien um sein Unternehmen kümmern.
Vielleicht erkannte Emma sein Dilemma. Denn nachdem sie auf den Fahrersitz geklettert war, kurbelte sie die Fensterscheibe herunter und sah Rocco an. „Während Sie hier sind, werde ich mich mit dem sozialen Dienst in Verbindung setzen. Wir müssen uns gemeinsam überlegen, was mit Cordelia geschehen soll.“
Da war sie wieder, diese Lehrmeisterinnenattitüde, stellte Rocco verärgert fest. Denkt sie wirklich, ich würde Cordelia einfach im Stich lassen? Ihm lag schon eine scharfe Antwort auf der Zunge, da fiel ihm ein, dass es ohne Emma womöglich nicht so gut um seine Großmutter stehen würde.
Er nickte knapp. „Sie fahren jetzt besser, bevor es noch stärker schneit. Würden Sie bitte anrufen, sobald Sie zu Hause sind, damit meine Großmutter beruhigt ist?“
Die Fahrt nach Little Compton erforderte Emmas ganze Konzentration und drängte glücklicherweise die Gedanken an Rocco D’Angelo in den Hintergrund.
„Tut mir leid“, entschuldigte sie sich, als sie schließlich bei Karen, Hollys Tagesmutter, ankam. „Die Straßen sind spiegelglatt.“
„Mach dir keine Gedanken. Holly hat mit den Zwillingen gespielt und auch mit ihnen zu Abend gegessen. Allerdings hatte sie nicht viel Appetit, und sie wirkt jetzt auch ziemlich erschöpft. Dieser Grippevirus hat sie ganz schön geschwächt. Ihr beiden
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