Du weckst mein Verlangen
zerspringen. Rocco eilte auf sie zu – mit Holly in seinen Armen.
„Danke! Danke, lieber Gott!“ Ihre Augen standen voller Tränen, und ihre Beine gaben fast nach, aber sie zwang sich vorwärts und lief auf die beiden zu.
Am Abend desselben Tages klopfte Rocco vorsichtig an Emmas Tür. „Schläft sie?“, fragte er mit leiser Stimme, als Emma die Verbindungstür zu Hollys Zimmer schloss.
„Tief und fest. Kein Wunder, nachdem sie den ganzen Nachmittag mit Bobbo im Garten herumgetollt hat.“ Emma bemühte sich um einen unbeschwerten Ton. „Und sie freut sich schon auf ihre Großeltern.“
Es überstieg Emmas Kraft, etwas zu den Ereignissen des Tages zu sagen. Wie sich herausstellte, war Holly auf einem Stapel Fischernetze eingeschlafen. Obwohl das Kind von dem ganzen Trubel überhaupt nichts mitbekommen hatte, brachen sie natürlich den Strandausflug ab und kehrten zur Villa zurück.
„Hast du immer noch vor, sie nach Nizza fahren zu lassen?“
„Am liebsten würde ich sie natürlich hier bei mir behalten. Aber sie freut sich so auf ihre Großeltern. Außerdem bin ich mir sicher, dass sie dort in den besten Händen ist.“
Unvermittelt schossen ihr erneut die Tränen in die Augen. Den ganzen Tag hatte sie versucht, die Ereignisse zu verdrängen, aber jetzt brachen sich die Gefühle Bahn. Die durchlittene Angst und Verzweiflung ließen sich einfach nicht mehr unterdrücken. Emma sank aufs Bett und schlug die Hände vor das Gesicht.
„Cara.“
Roccos Stimme erklang dicht neben ihr. Plötzlich fühlte sie, dass er sie in die Arme nahm, sie hochhob und aus dem Zimmer trug – aber ihr fehlte die Kraft, auch nur zu protestieren.
Nach einer Weile gelang es ihr, sich wieder zu fangen. Verlegen rieb sie sich mit dem Taschentuch, das Rocco ihr in die Hand gedrückt hatte, die Tränen von den Wangen. Dann blickte sie sich um. Sie befanden sich im Salon seiner Privatsuite! In dem großzügig geschnittenen Raum dominierten die Farben Braun und Creme. Durch die geöffnete Tür sah man in das Schlafzimmer. Darin stand ein riesiges französisches Bett mit Bettwäsche aus burgunderfarbenem Satin.
„Ich nahm an, du wolltest Holly lieber nicht wecken.“
„Entschuldige bitte“, flüsterte sie kaum hörbar. Sie schämte sich entsetzlich. Wie konnte ich mich nur so gehen lassen? Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie eng sie beieinandersaßen. Offensichtlich hatte sie sich an seiner Schulter ausgeweint und war über ihr Verhalten entsetzt. „Du hast sicher Wichtigeres zu tun, als dir deinen Hemdkragen von meinen Tränen durchweichen zu lassen.“
„Dieser Tag heute muss doch die reinste Hölle für dich gewesen sein. Du darfst deine Gefühle nicht unterdrücken.“
Etwas in seiner Stimme bewog sie, ihm ins Gesicht zu sehen. Der gequälte Ausdruck in seinen Augen erschreckte sie. „So, wie du das getan hast nach dem Tod deines Bruders? Cordelia hat mir von Giovannis Unfall erzählt.“
„Hat dir meine Großmutter auch erzählt, dass das alles nicht passiert wäre, wenn ich auf ihn aufgepasst hätte?“, stieß Rocco harsch hervor. „Ich werde mir nie verzeihen können, dass Gio starb, weil ich wütend auf meine Mutter war, die ihn wieder einmal auf mich abgeschoben hatte. Ich habe ihn auf dem Gewissen.“ Er räusperte sich. „Gio war ziemlich anstrengend – kaum zu bändigen. Aber ich liebte ihn. Er brauchte mich, hat zu mir – seinem großen Bruder – aufgesehen. Und ich habe ihn im Stich gelassen.“
„Du warst doch noch viel zu jung, um so eine Verantwortung zu übernehmen … fast selbst noch ein Kind!“ Instinktiv nahm sie seine Hände. „Cordelia hat gesagt, du hast dein eigenes Leben riskiert bei dem Versuch, ihn zu retten. Und heute …“ Ihre Stimme brach. „Heute – als mir bewusst wurde, dass Holly tatsächlich verschwunden war – hast du dich um alles gekümmert. Ich hatte nur noch Angst, war wie gelähmt. Aber da hast du für mich gehandelt. Hast die Polizei informiert, den Suchtrupp organisiert, während ich völlig panisch und hilflos war.“ Emma lächelte ihn mit bebenden Lippen an. „Ich bin so froh, dass du da warst.“ Wieder stiegen ihr die Tränen in die Augen. „Es war einfach ein tragischer Unfall … das mit deinem Bruder. Du hast ihn nicht im Stich gelassen. Ebenso wenig wie Holly und mich heute.“
Ihre Worte wirkten wie Balsam für Roccos Seele. Zum ersten Mal fühlte er sich von der Last der Schuld befreit. All die Jahre war er in einer inneren Starre gefangen
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