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Du wirst noch an mich denken

Du wirst noch an mich denken

Titel: Du wirst noch an mich denken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Andersen
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Er hegte eine tiefe Abneigung gegen Terrace im Allgemeinen und gegen die dunklen Seitenstraßen, in denen Tag und Nacht die Drogendealer herumhingen, im Besonderen; und trotzdem war er jetzt genau dorthin unterwegs, nachdem ihn Paul völlig panisch angerufen hatte.
    Langsam fuhr er in seinem Jeep die Straßen ab und hielt Ausschau nach seinem Bruder. Er hatte so schwer gearbeitet, um von hier wegzukommen. An dem Tag, an dem er endlich genug Geld hatte, um sich in einem anderen Stadtteil eine Wohnung leisten zu können, hatte er sich geschworen, nie mehr zurückzukehren. Aber er war immer wieder gezwungen gewesen, diesen Schwur zu brechen, da seine Brüder seine Abneigung gegen das Viertel nicht zu teilen schienen. Bobby und seine Kredithaie und Paul mit seiner Drogensucht und seinen Hehlergeschäften hatten James öfter hierher zurückgebracht, als er zählen konnte. Irgendjemand musste ihnen schließlich aus der Klemme helfen, in der sie gerade wieder einmal steckten, und wenn er es nicht tat, wer dann? Außer ihm gab es nur noch Will, der bedauerlicherweise mehr mit seinem Schwanz zu denken schien als mit seinem Hirn. Bei der Vorstellung, sein jüngerer Brüder würde Verantwortung für jemanden übernehmen, schüttelte James den Kopf. Will musste beinahe genauso oft herausgehauen werden wie die beiden anderen, auch wenn James ihm zugute hielt, dass er es für gewöhnlich zumindest schaffte, in einem weniger gefährlichen Teil der Stadt in Schwierigkeiten zu geraten.
    Der Hang seiner Brüder, sich darauf zu verlassen, dass er ihnen in Notsituationen zu Hilfe eilte, war James im Lauf des vergangenen Jahres immer mehr auf die Nerven gegangen. Sie würden niemals erwachsen werden, was wiederum ihn daran hinderte, seine Vergangenheit ein für alle Mal hinter sich zu lassen. Und das war lange Zeit eines seiner obersten Ziele gewesen.
    Aber andererseits liebte er seine Brüder. Er konnte sich noch an die Zeit erinnern, bevor die Jacksons in sein Leben getreten waren, eine Zeit, in der Bobby und Paul die Einzigen gewesen waren, die ihn vor den Einflüssen der Straße geschützt hatten. Er liebte sie, und er hasste sie für das, was sie ihm und sich selbst antaten. Doch ganz egal, von welchem Standpunkt aus er es auch betrachtete, letztlich lief es darauf hinaus, dass er tat, was getan werden musste, um für ihre Sicherheit zu sorgen. Sie waren seine Familie.
    Wenn James nach Terrace fuhr, war es stets oberste Regel seiner Überlebensstrategie, alles aus seinen Gedanken zu verdrängen, was nicht unmittelbar etwas mit dem Grund seines Hierseins zu tun hatte. In diesem Teil der Stadt konnte die kleinste Unaufmerksamkeit tödliche Folgen haben, aber heute Nacht fand er es schwierig, die erforderliche Konzentration aufzubringen. Er fragte sich, ob Aunie schon zu Hause war. Vielleicht hatte sie jemanden für ihre Affäre kennen gelernt. Mist, er musste immerzu an dieses Kleid denken, und damit war sie die ganze Nacht lang unterwegs. Die Kerle standen bestimmt Schlange bei ihr.
    Er war ruhelos in seiner Wohnung herumgewandert, als Paul angerufen hatte. Selbst jetzt, in diesem Augenblick, in dem er sich darauf hätte konzentrieren sollen, seinen Bruder zu finden, war er mit einem Teil seiner Gedanken woanders. Sie kehrten immer wieder in seine Wohnung zurück, wo er stundenlang auf und ab gelaufen war und immer wieder aus dem Fenster auf die Straße gesehen hatte. Es ärgerte ihn, zugeben zu müssen, dass er ungeduldig auf das Taxi gewartet hatte, das sie nach Hause bringen würde.
    Auf seiner Fahrt durch die Straßen erfassten die Scheinwerfer seines Wagens immer wieder dunkle Ecken und rissen für einen Moment die Geschöpfe der Nacht aus der Dunkelheit. Prostituierte in Stilettos und Kunstpelzjacken und mit auftoupierten Frisuren beugten sich in Autofenster oder lehnten an Häuserwänden; Zuhälter in maßgeschneiderten Anzügen und grell gemusterten Hemden fuhren in teuren Schlitten durch die Gegend; nervös zuckende Junkies machten Geschäfte mit gelangweilten Dealern. Von seinem Bruder hatte er bis jetzt allerdings noch keine Spur entdecken können. James fragte sich, in welcher Klemme Paul diesmal stecken mochte. Er hatte nur gesagt, er brauche Hilfe, ihm grob beschrieben, wo er zu finden war, und dann aufgelegt.
    Und dann sah er ihn plötzlich, er kam aus einer Seitenstraße, als James an einer roten Ampel hielt. Er öffnete die Beifahrertür und stieg ein. »Fahr los, Jimmy«, sagte er und blickte ängstlich über seine

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