Du wirst sein nächstes Opfer sein: Thriller (Knaur TB) (German Edition)
Monitor verschwand, und zum Vorschein kam der Desktop mit einer Reihe von Symbolen und Ordnern. Jack klickte einen an, der mit GAMES bezeichnet war, und war erstaunt, dass er aufging. Eigentlich hatte er erwartet, dass er keinen Zugang zum System bekommen würde.
Doch nachdem er sich einige Minuten durch die Ordner geklickt hatte, bestätigte sich seine Annahme. GAMES, SAMMLUNG und ARCHIV waren die einzigen Ordner, auf die er Zugriff hatte, und ihr Inhalt war nicht so furchtbar aufschlussreich. GAMES war, wie der Name schon sagte, lediglich ein Ordner voller Computerspiele. Unter SAMMLUNG fand sich eine detaillierte Liste all der Aufziehspielzeugfiguren, die überall im Haus in den Schaukästen ausgestellt waren. ARCHIV enthielt Dutzende Reality-Fernsehsendungen, die Remote aus dem Internet heruntergeladen hatte. Wahrscheinlich hatte Remote die Ordner die ganze Zeit über noch benutzt, um sich zu beschäftigen, während er gewartet hatte, bis Jack in den Panikraum einbrach. Denn alles andere war hinter einem Wall aus Sicherheitscodes verborgen.
Jack grübelte darüber nach. Ein Irrer versucht, deine Tür einzuschlagen, weil er dich foltern will. Die einzige Waffe, die dir zur Verfügung steht, ist die Stange zum Gewichtheben. Und was machst du, während jemand die Mauern deiner Burg niederreißt und dein Untergang kurz bevorsteht? Du schaust Wiederholungen von Fernsehsendungen, klar. Spielst womöglich ein paar Computerspiele und gehst deinen Spielzeugkatalog durch.
Jack schüttelte den Kopf und fuhr zusammen, als ihm stechende Schmerzen die Wirbelsäule hinunterjagten. Es ergab keinen Sinn. Außer Remote war so geistesgestört, dass er nicht mehr in der Lage war, seine eigene Niederlage in Betracht zu ziehen. Doch das passte nicht zu dem Menschen, der in diesem Haus wohnte. Bei ihm handelte es sich um einen hochintelligenten Mann mit einem scharfen Blick für Details, der alles gründlich vorbereitete. Nein, was Jack erblickte, war kein Beweis seiner Arroganz.
Sondern seiner Furcht.
Sowohl aufgrund der Nachforschungen, die er angestellt hatte, als auch aus eigener Erfahrung wusste Jack, was Menschen unter extremem Druck taten. Sie suchten nach einem physischen Ausweg, und wenn es den nicht gab, dann suchten sie nach einem psychischen. Jack selbst hatte zur Fiktion gegriffen, um etwas von dem Druck seiner Kindheit abzubauen. Wenn er vor seinen Problemen nicht körperlich weglaufen konnte, war er in die Welt der Bücher entflohen. War er in einer emotional aufreibenden Situation gefangen, hielt er oft Ausschau nach etwas Geschriebenem, ganz gleich, was es war. Er erinnerte sich an einen besonders hässlichen Streit mit seiner Frau, während dem er die Rückseite einer Müslischachtel immer und immer wieder gelesen hatte, ohne es zu merken.
Die Spiele, die Aufziehfiguren und die Fernsehsendungen – sie waren Remotes Zuflucht. Während er im abgesicherten Raum seines eigenen Hauses wie in einer Falle saß, hatte er sich mit Dingen beruhigt, die ihm vertraut waren, die ihn trösteten. Auf diese Weise gewann er das Gefühl der Kontrolle ein Stück weit zurück.
Jack gestattete sich ein leises Lächeln. Er hatte eine wichtige Schwachstelle in Remotes Rüstung entdeckt, doch noch immer fügte sich all das nicht recht zusammen. Irgendetwas fehlte ihm noch.
Er stand auf und ging im Zimmer herum, begutachtete die Fitnessgeräte, den Tisch, den Stuhl – da fiel ihm eine entscheidende Sache auf.
Nirgends gab es harte Kanten.
Der Tisch war überall abgerundet. Die Enden der Langhanteln waren mit Schaumstoffpolstern bespannt. Bis auf diejenige Hantel, die Remote als Waffe benutzt hatte. Dort hatte er das Polster abgenommen und in einer Schublade verstaut. Und die Schubladen waren mit Blockierungen versehen, so dass sie nicht ganz zugingen, sondern einen Spalt offen standen.
Bis auf den Eingang hatten alle anderen Durchgänge keine Türen. Kein Besteck, außer Plastikbesteck. Kein Glas, außer das der Monitore, und die waren wiederum mit bruchsicherem Kunststoffglas abgedeckt. Der dicke Teppich auf dem Boden. Es war, als sollte der gesamte Panikraum kindersicher sein.
Jack hatte angenommen, dass die Zimmer unten keine potenziellen Waffen enthielten, falls ein Gefangener wie er selbst sich von seinen Fesseln befreien konnte. Doch er hatte sich geirrt. Das ganze Haus war so eingerichtet. Und das hatte nichts mit unerwarteten Besuchern zu tun, auch wenn diese Vorkehrungen durchaus im Hinblick auf Remotes Sicherheit
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