Du. Wirst. Vergessen.: Roman (German Edition)
Therapie in den Schädel gepflanzt haben, zerrissen. Dein Verstand weiß, dass da irgendetwas nicht stimmt. Nun fügt er sich langsam wieder zusammen. Wir können heilfroh sein, dass es nur diese eine Erinnerung war und nicht dein gesamtes Gedächtnis.«
Ich schaue ihn von der Seite her an, überlege, ob er wirklich glaubt, dass ich ohne Erinnerungen besser dran sei. »Warum willst du nicht, dass ich mich an alles erinnere?«, frage ich. »Was könnte ich dir erzählt haben, das so schrecklich ist, dass es ein solches Leben rechtfertigt?«
Realm lächelt traurig. »Manche Dinge bleiben besser in der Vergangenheit verborgen. Um unser aller willen.« Tränen fließen ihm plötzlich aus den Augen, und ich werde mir bewusst, was ich ihm in dieser Nacht antue, welches Unrecht ich ihm zufüge.
»Wenn ich also solche Gefühle für James habe, was bedeutet das für dich?«
»Dass ich ein Mädchen liebe, das einen anderen liebt. Hört sich sehr nach einem Shakespeare-Drama an, wenn du mich fragst.«
Ich lehne mich an ihm, lege meine Hand auf sein Herz und wünsche mir, dass ich seine Liebe erwidern könnte. Doch selbst jetzt, selbst da ich weiß, dass James so weit von mir entfernt ist, weiß ich, dass ich Realm nicht lieben kann. Er ist nicht für mich bestimmt.
Wir liegen nebeneinander, die Glut im Kamin ist fast erloschen. »Der Typ, der gestorben ist«, beginne ich. »Er hat behauptet, die Epidemie würde nun auch auf Erwachsene übergreifen.« Realm spannt sich an. »Was ist, wenn das stimmt?«, frage ich ihn.
»Du solltest dir den Kopf so kurz nach deiner Behandlung nicht über solche Dinge zerbrechen«, erwidert Realm. »Du solltest dich auf deine Genesung konzentrieren, auf das hören, was dein Betreuer dir sagt …«
Plötzlich fällt mir ein, dass ich ihm noch gar nicht von Kevin erzählt habe. »Realm«, unterbreche ich ihn, »sie haben Kevin von mir abgezogen.«
Er schaut schnell zu mir herüber. »Wann?«
»Gestern.«
Realm flucht leise vor sich hin, dann entschuldigt er sich. »Mach dir keine Sorgen«, sagt er. »Ich werde nachforschen. Ich bin sicher, du bist einfach nur zu verdammt gesund, als dass du noch einen Betreuer oder sonst was brauchst.«
Er lehnt sich wieder zurück, doch mir entgeht nicht die steile Falte, die sich zwischen seinen Augenbrauen gebildet hat. Ich vertraue darauf, dass er herausfindet, was geschehen ist.
Dann kommt mir in den Sinn, dass ich eigentlich aufstehen, zumindest aber mein Shirt wieder überziehen sollte. Doch stattdessen bleiben wir so liegen, schweigend, eine ganze Zeit lang.
Es ist fast drei Uhr morgens, als ich wieder in den Wagen steige. Nur noch ein leichtes Pochen erinnert an meine Kopfschmerzen. Ich hatte gehofft, Realm würde mich bitten, die Nacht über zu bleiben, doch er hat mich daran erinnert, dass meine Eltern es wahrscheinlich melden würden, wenn sie aufwachen und entdecken, dass ich nicht da bin.
Dennoch wollte ich nicht fort von ihm. Mir hat es bei ihm gefallen, frei von aller Kontrolle, und wenn es auch nur für ein paar Stunden war. Niemand, der mich beobachtet, jeden meiner Schritte einer Prüfung unterzieht. In ein paar Stunden muss ich mich vielleicht einem neuen Betreuer stellen, zumindest aber meinen Eltern. In ein paar Stunden muss ich mich James stellen.
In ebendiesem Moment vibriert mein Handy, und ich lächele, weil ich denke, dass es Realm ist, der mir zwar seine Nummer nicht verraten wollte, sich meine aber hat geben lassen. Doch als ich die Nachricht sehe, setzt mein Herz für einen Schlag aus. Es ist James.
»Lies sie nicht, Sloane«, befehle ich mir selbst und lege das Handy auf den Beifahrersitz, bevor ich das Radio einschalte. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühle ich mich endlich gut, und er soll mir das nicht wieder kaputtmachen. Ich halte bis zur nächsten Straßenlaterne durch, bis ich das Handy nehme und die Nachricht lese.
BIST DU OKAY? :) FÜR JA, :( FÜR NEIN.
Idiot. Ich ignoriere ihn, fahre weiter nach Hause, denke über das nach, was Realm gesagt hat. Dass es manchmal besser ist, nichts zu wissen. Vielleicht sollte ich ihm glauben. Er hat keinen Grund, mich anzulügen.
Das Handy, das auf meinem Schoß liegt, kündigt mir eine neue Nachricht an.
ICH BIN VOR EUREM HAUS. KOMM RAUS.
Was macht er bei uns zu Hause? Ich halte am Straßenrand, um eine Antwort zu schreiben. Eine ziemlich gemeine. BIN NICHT ZU HAUSE. BIN GERADE BEI REALM LOSGEFAHREN.
Kaum habe ich die Nachricht abgeschickt, würde ich es am liebsten
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