Du. Wirst. Vergessen.: Roman (German Edition)
rückgängig machen. Ich habe ein verdammt schlechtes Gewissen. Realm hat gesagt, dass ich James geliebt habe. Dass ich nicht einfach nur mit ihm zusammen war, sondern dass ich ihn »wie verrückt« geliebt habe. Ich blicke auf mein Handy.
MITTEN IN EINER ROMANTISCH-STÜRMISCHEN NACHT? ICH HOFFE, ER IST NICHT WIEDER AUF DUMME IDEEN GEKOMMEN.
Ich stöhne auf. DACHTE, ES INTERESSIERT DICH NICHT. Erst weist er mich zurück, dann hat er den Nerv, mich zu …
TUT ES AUCH NICHT. GUTE NACHT.
Es ist, als bräche der Boden unter mir weg. Mir wird übel. Doch ich weiß nun, was es ist – die Reaktion meiner Gefühle. Soll ich James von unserer Vergangenheit erzählen? Verdient er es überhaupt zu wissen, dass wir eine Beziehung hatten?
Ich blicke auf die Uhr. Es ist spät, und ich beschließe, mein Handy auszuschalten, James aus meinem Leben auszusperren. Ich muss mich von ihm fernhalten. Er ist Gift für mich. Und ich will nicht noch einmal in »Das Programm«. Ich würde es kein weiteres Mal durchhalten.
Und so lenke ich den Wagen wieder auf die nasse Straße und fahre heim, schleiche mich ins Haus, ohne dass meine Eltern auch nur das Geringste hören.
Ich bin noch ziemlich müde, als ich am Morgen auf den Parkplatz der Sumpter High fahre. Als ich das Haus verließ, stand kein Betreuer vor der Tür, und so hat mir Mutter ihren Wagen geborgt. Ich habe mich brav bei ihr bedankt, statt sie wegen ihrer Lügen über meinen Bruder zur Rede zu stellen, wofür ich mich unheimlich zusammenreißen musste.
Ich nehme an, dass ich nun nicht mehr überwacht werde – obwohl ich weder von Realm noch vom »Programm« eine Bestätigung dafür erhalten habe.
Als ich aussteige, sehe ich James neben dem Wagen seines Vaters stehen und etwas in sein Handy tippen. Meins vibriert, aber ich mache mir gar nicht erst die Mühe, nachzuschauen. Als ich es vorhin wieder eingeschaltet habe, waren fünf Nachrichten eingegangen. Auch seine neueste lese ich nicht, sondern gehe ins Schulgebäude.
Hast du dich am vergangenen Tag einsam oder hilflos gefühlt?
NEIN . Ich gehe den Rest der Fragen zu Beginn der ersten Stunde durch, und plötzlich wird mir bewusst, dass all meine Antworten Lügen sind. Ich kreuze die Kästchen an, nur bei der letzten Frage zögere ich.
Hat jemals irgendjemand, der dir nahestand, Selbstmord begangen?
Ja. Mein Bruder – und vielleicht auch noch andere. Aber was soll ich ankreuzen? »Das Programm« glaubt, dass ich nichts weiß. Sie glauben, dass sie mir meine Erinnerungen gestohlen haben. Ich breche fast die Spitze meines Bleistiftes ab, als ich das NEIN ankreuze.
»Beachtest du mich nicht mehr?«, flüstert James mir in der Mathestunde zu, als er an meinem Tisch vorbeikommt. Er wartet nicht auf meine Antwort, sondern geht weiter zu seinem Platz. Sein Tonfall jedoch macht klar, dass er wütend ist. Nun, von mir aus kann er zum Teufel gehen, denn ich falle nicht mehr auf ihn herein.
Ich starre auf meinen Tisch, tue so, als hätte James nichts gesagt, und schlage meinen Block auf. Der Unterricht zieht sich dahin, und ein paar Mal höre ich, wie sich jemand hinten im Raum räuspert. Irgendwann seufze ich tief auf und drehe mich um, sehe, dass James mich beobachtet. Ich verdrehe die Augen und konzentriere mich wieder auf die Matheaufgaben.
Mein Handy vibriert. Ich sollte nicht nachschauen. Ich sollte seine Ausraster ignorieren. Doch dann, während uns die Lehrerin aus dem Buch Erklärungen zu einer Formel vorliest, überprüfe ich unauffällig die eingegangene SMS .
DU SIEHST HEUTE HÜBSCH AUS. ACH JA, ICH BIN EIN ARSCHLOCH.
Ich presse die Lippen zusammen, bemüht, mein Lächeln zu unterdrücken. Ich will nicht, dass er mich zum Lächeln bringt.
NICHT AKZEPTIERT . Bleib auf dem rechten Weg, Sloane!
HAST DU DEINEM FREUND GESTERN ABEND WIEDER MIT EINEM KUSS GUTE NACHT GESAGT? ICH WETTE, ES HAT IHM GEFALLEN.
ICH DENKE, DASS INTERESSIERT DICH NICHT? KRIEG DICH WIEDER EIN.
VIELLEICHT BIN ICH UM DEINEN RUF BESORGT.
Ich unterdrücke ein Lachen. ECHT?
NEIN. ICH BIN EIFERSÜCHTIG.
Ich blicke mich noch einmal zu ihm um und sehe direkt in James’ blaue Augen.
Er zuckt mit den Schultern, wirkt ein bisschen kläglich. Als ob es ihm vielleicht doch leidtäte.
Ich setze mich wieder richtig hin und stecke das Handy in meine Hosentasche, versuche nachzudenken. Ich weiß, ich will nicht mit Realm zusammen sein, nicht auf diese Weise. Aber ganz ehrlich, James ist schwierig, zu schwierig, als dass ich damit fertig werden kann,
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