Du. Wirst. Vergessen.: Roman (German Edition)
auszuflippen.
»Bist du wirklich sicher, Miller, dass du nicht mit uns zelten willst?«, fragt James, als wir am Freitag die Schule verlassen. »Es wird garantiert echt nett – und ruhig.«
»Nee, Mann«, erwidert Miller, holt seine Baseballkappe aus dem Rucksack und biegt den Schirm zurecht. »Ich will einfach zu Hause abhängen, Videospiele spielen. Vielleicht schau ich auch mal im Wellness Center vorbei.«
»Du solltest mitkommen«, mische ich mich ein. »Damit du nicht so allein bist.«
Miller schaut mich an, während er die Kappe aufsetzt. Ein Lächeln liegt auf seinem Gesicht. »Ist doch nur eine Nacht, Sloane. Ich bin okay. Außerdem weiß ich doch genau, wie es ist, mit euch beiden zu campen.« Er deutet auf uns. »Nehmt’s mir nicht übel, aber im Moment bin ich wirklich nicht in der Stimmung für die öffentliche Zurschaustellung eurer Gefühle.«
James lacht, legt mir von hinten die Arme um die Taille und stützt sein Kinn auf meinen Kopf. »Stimmt doch gar nicht«, meint er. »Wir warten immer, bis du eingeschlafen bist.«
Lachend schiebe ich ihn weg. Aber Miller will immer noch nicht mitkommen, verspricht, dass er uns dafür nächste Woche begleiten wird. Ich mag ihn nicht hier allein zurücklassen, andererseits würde ich es auch nicht ertragen, in der Stadt zu bleiben. Ich bin gern draußen in der Natur. Weil ich dann so tun kann, als gebe es kein »Programm«.
Und so verabschieden wir uns von Miller, steigen in den Wagen von James’ Dad und fahren los Richtung Küste.
Als wir jünger waren, haben Brady und ich oft zusammen gecampt. Was das Leben in der freien Natur betrifft, so war mein Bruder ein Experte, deshalb erlaubten meine Eltern uns auch schon, allein zu zelten, als er erst dreizehn und ich zwölf war. Natürlich schauten sie zwischendurch immer wieder vorbei, um sich zu vergewissern, dass alles in Ordnung war. Als ich fünfzehn war, durften wir ganz ohne Aufsicht los, vorausgesetzt, James war auch dabei.
An jenem ersten Tag, als ich neben der Feuerstelle saß, beobachtete ich James, während er das Zelt aufbaute. Brady war ein Stück entfernt und hackte Holz. James war gerade sechzehn geworden, sein blondes Haar so lang, dass es ihm in die Stirn fiel und er es mit dem Handrücken zurückstreichen musste. Schwitzend und mit bloßem Oberkörper wirkte er noch so jung, doch die Muskeln gaben seinem kräftigen Körper bereits Kontur.
Irgendwann blickte er zu mir hin, fast ein wenig überrascht, mich dort sitzen zu sehen, wie ich ihn anstarrte.
Dann verzog sich sein Mund zu einem Grinsen. »Sag mal, Sloane, hast du mich gerade so angesehen, als wolltest du was von mir?«
Ich muss dunkelrot geworden sein, denn er entschuldigte sich sofort bei mir. Aber ich war bereits aufgestanden und ging zu jener Stelle, von der aus man über das Meer blicken konnte, unfähig zu antworten. Er hatte recht. Ich hatte ihn angeschaut, als wollte ich was von ihm.
Bis jetzt war mir nie zuvor in den Sinn gekommen, James könne mehr für mich sein als ein Kumpel, als der Kumpel meines Bruders. Ich hatte doch schon einen Freund, Liam.
Okay, ich mochte Liam nicht besonders, es war einfach eine von jenen Wir-sind-zusammen-in-einer-Klasse-da-können-wir-doch-auch-ausgehen-Beziehungen. Lacey hatte mir eingeredet, dass es seltsam wäre, hätte ich Liam abgewiesen. Doch ich hatte ihn in den zwei Monaten, die wir zusammen waren, nicht einmal meine Hand halten lassen, und mal ehrlich – das war seltsam! Aber James Murphy musterte ich höchst interessiert.
Ich saß auf der sandigen Böschung, die Knie angezogen und meine Ellbogen darauf gestützt. James hatte ständig irgendwelche Freundinnen, aber etwas Ernsthaftes war nie darunter. Und je länger ich daran dachte, dass er mit anderen Mädchen ausging, desto heftiger zog sich mein Magen zusammen, und dann entrang sich mir ein lautes Seufzen.
»Oh Mann, Sloane«, hörte ich ihn hinter mir sagen, »ich hab doch nur ’nen Scherz gemacht.«
Ich straffte den Rücken, brachte es aber nicht über mich, mich umzudrehen und ihn anzusehen. Doch ich wusste, dass er mich nicht in Ruhe lassen würde, bis er herausgefunden hatte, was los war.
Er trat dicht hinter mich und fragte: »Alles klar?«
Ich konnte aus seiner Stimme nicht heraushören, was er dachte, ob er mein Verhalten peinlich fand, ob ihm aufgefallen war, wie richtig er mit seiner Vermutung lag.
Ich nickte, doch er lachte nur. Er stieß eine Zeltstange vor uns in den Sand, ließ sich neben mir auf den Boden
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