Du. Wirst. Vergessen.: Roman (German Edition)
besteht.
In ebendiesem Moment kommt James ins Wohnzimmer, an einem Apfel kauend. Er schaut uns an, neigt den Kopf zur Seite, als wolle er die Situation abschätzen. Noch einmal beißt er in den Apfel, dann tritt er zu uns, beugt sich vor und legt seine Arme um uns beide.
»Kann ich auch ein bisschen Liebe haben?«, fragt er auf diese alberne Art, die er immer an sich hat, wenn er verhindern will, dass wir zu traurig werden. Er versucht uns abzulenken. Er gibt Miller einen lauten Schmatz auf die Wange. Ich lache und schiebe ihn weg, und er richtet sich wieder auf.
Miller aber steht auf und sagt kein Wort.
James wirkt unsicher, schaut mich vorwurfsvoll an, als wolle er damit sagen, ich hätte nicht zulassen dürfen, dass Miller sich so hängen lässt.
Was ich ja auch gar nicht beabsichtigt habe. Darum zucke ich nur mit den Schultern.
James blickt sich im Zimmer um, als suche er einen Hinweis, was er als Nächstes tun kann. Dann geht er hinüber zum Kamin und nimmt das neueste Familienfoto vom Sims.
»Oh Mann«, meint er, »deine Mutter sieht wirklich verdammt heiß aus auf diesem Bild.«
»Geh zum Teufel«, entgegnet Miller und kaut an seinen Nägeln, während er in der Tür steht.
So geht das jedes Mal, wenn James Millers Mom sieht, die tatsächlich sehr hübsch ist, blondes Haar hat und kurze Röcke trägt und vielleicht ein wenig zu sehr von meinem unausstehlichen Freund beeindruckt ist. Wenn er ein bisschen älter ist, wird aus ihm garantiert ein richtiger »Herzensbrecher«, behauptet sie. Nicht, wenn ich es verhindern kann.
»Ich mein ja nur«, sagt James, kommt zurück und lässt sich neben mich auf die Couch fallen. »Wenn ich die hier nicht hätte …«, er zeigt mit dem Daumen auf mich, »dann würde ich vielleicht dein neuer Stiefdaddy.«
»Hey!« Lachend gebe ich ihm einen Klaps aufs Bein.
James zwinkert mir zu und dreht sich dann wieder zu Miller um. »Ich könnte mit dir dann draußen Verstecken spielen oder so. Was meinst du?«
»Ja, das wäre ein Spaß«, sagt Miller, doch er wirkt kein bisschen amüsiert. »Dafür krieg ich dann Sloane. Ich brauch eh eine neue Freundin.«
Uns beiden, James und mir, bleibt das Lachen im Hals stecken. Miller starrt James an, dann mich, dann wendet er sich ab. »Ich mach mir ’n Brot«, erklärt er und geht in die Küche.
James’ Mund steht leicht offen, während er Miller hinterherschaut, und ein Hauch von Rosa legt sich über seine Wangen. »Das hat er ernst gemeint, oder?«, stellt er verwirrt fest. »Warum sagt er so was?« Er starrt mich an, die Brauen zusammengezogen. »Will er was von dir?«
Ich schüttele den Kopf. »Nein«, erwidere ich ehrlich.
Wir sind aus gutem Grund so besorgt. Wir wissen beide, dass Millers Verhalten gerade ganz untypisch für ihn ist. Man hat uns eingetrichtert, auf solche Anzeichen zu ach ten.
»Sollen wir mit ihm darüber reden?«, frage ich.
James reibt sich mit der Hand den Mund, während er nachdenkt. »Nein«, meint er schließlich. »Ich will nicht, dass er sich noch mehr aufregt.«
Eine Weile schweigen wir beide, das Einzige, was wir hören, ist, wie der Kühlschrank geöffnet und wieder geschlossen wird.
James sieht mich an. »Und noch was: Es ist streng verboten, mit Miller herumzumachen.«
»Halt die Klappe.«
»Ich schlage dir einen Deal vor: Wenn du nicht mit ihm herummachst, dann mach ich auch nicht mit seiner Mom rum.«
»James!« Ich will ihm erneut einen Klaps versetzen, doch er fängt meine Hand ab und zieht mich dann auf seinen Schoß, hält mich fest, sodass ich nicht aufstehen kann. James ist so perfekt darin, alles normal erscheinen zu lassen. Lachend versuche ich, mich aus seiner Umarmung zu winden.
Als Miller zurückkommt, ein belegtes Brot in der Hand, bleibt er einen Moment in der Tür stehen. Sein Gesicht zeigt nicht den geringsten Ausdruck.
Ich höre auf, herumzuzappeln, doch James lässt mich nicht los. Mit dem Kinn deutet er auf Miller.
»Wir sind uns doch einig, dass Sloane mir gehört?«, fragt er. Nicht aggressiv, nur neugierig. »Dass ich sie liebe und für niemanden aufgebe, nicht einmal für dich. Das weißt du doch, oder?«
Ich frage mich unwillkürlich, was aus seinem Ich-will-nicht-dass-er-sich-noch-mehr-aufregt-Vorsatz geworden ist.
Miller beißt in sein Truthahn-Sandwich und zuckt mit den Schultern. »Kann sein«, meint er. »Aber wir wissen doch alle, dass sich die Dinge ändern. Ob wir das nun wollen oder nicht.« Immer noch ohne die geringste Gefühlsregung zu
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