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Du. Wirst. Vergessen.: Roman (German Edition)

Du. Wirst. Vergessen.: Roman (German Edition)

Titel: Du. Wirst. Vergessen.: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Young
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ein solches Risiko eingehen. Nicht in dieser Welt. Aber ich will ihn. Ich will, dass er vergisst, wie traurig er ist.
    »Ich liebe dich«, sage ich, doch James’ Augen sind geschlossen. Ich beuge mich zu ihm hinab und küsse ihn sanft auf den Mund. Beinahe höre ich auf, weil er nicht reagiert, doch dann küsse ich seinen Hals, seine Brust, knöpfe sein Hemd auf und küsse seinen Bauch, lasse meine Lippen tiefer gleiten.
    Und erst, als ich seine Hand in meinem Haar spüre und höre, wie er atemlos meinen Namen murmelt, weiß ich, dass ich ihn zurückbekommen habe – wenn auch nur für einen Augenblick.
    »Soll ich Feuer machen?«, frage ich. James liegt eng an mich geschmiegt, seine Wange an meinen Nacken gepresst.
    »Nein«, erwidert er sanft und hält mich fest. »Ich will hier bei dir bleiben.«
    Ich lächele leicht, und dann wird mir plötzlich bewusst, dass dies mein erstes echtes Lächeln seit Millers Tod ist. Der Gedanke an ihn lässt mein Glück schnell wieder verblassen.
    »Miller würde nicht wollen, dass du dich hängen lässt«, sage ich leise.
    James schluckt, und der Griff seiner Arme lockert sich. »Es geht mir nicht gut, Sloane.«
    Ich drehe mich um, sodass ich ihn anschauen kann. Seine Augen sind blutunterlaufen, sein Kinn ist stoppelig.
    »Sag so was nicht«, bitte ich ihn.
    »Ich werde mich umbringen.«
    Es ist, als würde mir die Brust zusammengedrückt. Ich greife nach James’ Hand, ziehe ihn an mich heran. »Wag es nicht!«, schreie ich ihn an. »Wage es ja nicht, James!«
    Aber ich zittere so heftig, dass ich fürchte, meine Worte sind nicht zu verstehen. »Verlass mich nicht«, schluchze ich. »Bitte lass mich nicht allein zurück. Bitte!«
    Bedächtig legt James die Arme um mich und zieht mich zu sich heran, streicht mir das Haar zurück. »Sloane, ich kann nicht ins ›Programm‹ gehen«, sagt er. »Ich will dich nicht vergessen. Und ich will auch Brady nicht vergessen.«
    Ich lehne mich zurück und sehe ihn an. »Glaubst du vielleicht, du würdest dich besser erinnern, wenn du tot bist? Du hast es mir versprochen, James. Du hast es mir für alle Ewigkeit versprochen.« Tränen laufen mir über die Wangen, und ich hoffe, dass er sie mir wegwischt und mir versichert, dass alles wieder gut wird.
    Doch stattdessen hält er mich nur fest, klammert sich schweigend an mich, während ich neben ihm liege. Aber er verspricht mir nicht, dass er sich nicht umbringen wird.
    »Halte durch«, flüstere ich ihm zu. »Sag mir, dass du durchhalten wirst.«
    Ich spüre seinen Atem warm auf meiner Haut. »Ich werde es versuchen.«
    Wir bleiben im Zelt liegen, bis es dunkel wird, stehen nur auf, um Energieriegel und Wasser zu holen und als wir später einmal müssen. Ich kann nicht schlafen, die ganze Nacht nicht, sondern grüble darüber nach, was die Zukunft bringen wird. Frage mich bang, ob der alte James jemals zu mir zurückkehren wird.
    Als die Sonne sich erneut erhebt, schaue ich hoffnungsvoll zu James hin. Er liegt auf dem Rücken, starrt ins Nichts, und ich weiß, dass er verloren ist.
    Genau wie ich.

11. Kapitel
    Es ist jetzt knapp einen Monat her, seit Miller gestorben ist, und James ist immer noch nicht wieder er selbst. Es fordert mir alle Kraft ab, die Fassade aufrechtzuerhalten, so zu tun, als wäre alles in Ordnung. Ich mache James’ Hausaufgaben, reiße aus seinem Block die Seiten mit den schwarzen Spiralen heraus und schreibe stattdessen Logarithmen hinein. Ich bringe ihn in seine Klassen, achte darauf, dass er nicht versucht, irgendwo QuikDeath zu kaufen, passe auf, ob es den anderen auffällt, dass er sich verändert hat.
    Natürlich fällt es ihnen auf. Unsere Schulkameraden wenden den Blick ab, wenn wir an ihnen vorbeigehen, weil sie nicht mit uns in Verbindung gebracht werden wollen. Das Risiko, selbst weggeschickt zu werden, ist ihnen zu hoch.
    Ich weiß, dass uns nicht mehr allzu viel Zeit bleibt, und so trage ich noch ein bisschen dicker auf. Ich lache zu laut. Küsse James auf dem Gang zu leidenschaftlich – obwohl er meine Küsse nicht erwidert. Ich fange an zu vergessen, wie er früher war. Ich fange an zu vergessen, wie wir früher waren.
    Zum neuen Halbjahr wechseln die Unterrichtspläne, und wie durch ein Wunder landet James in meiner Matheklasse. Oder vielleicht liegt es auch nur daran, dass unsere Schule an wachsendem Schülerschwund leidet. Seit Miller hat es zwei weitere Selbstmorde gegeben. Ich stelle fest, dass immer mehr Betreuer da sind, darunter auch derjenige,

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