Du. Wirst. Vergessen.: Roman (German Edition)
nach draußen gerichtet.
Meine Eltern waren nicht gerade begeistert davon, dass wir so bald nach Millers Tod wieder campen wollten, und schienen mir ein wenig misstrauisch. Sie wollten wissen, warum James gar nicht mehr zu uns kommt, und ich habe behauptet, dass er lernen müsse – wahrscheinlich hat gerade das ihr Misstrauen geweckt.
Bei James zu Hause bin ich inzwischen zu einem ständigen Gast geworden, rede ihm gut zu, und wenn sein Vater in der Nähe ist, tue ich so, als machten wir nur Spaß. Das heißt, eigentlich sage ich ihm nichts anderes, als dass er durchhalten soll, bringe ihn abends ins Bett, sage ihm, dass ich ihn liebe und dass ich nicht zulassen werde, dass ihm etwas zustößt.
Aber James antwortet mir nie. Ich habe Angst, dass er mir nie wieder antworten wird.
James sitzt da, starrt ins Feuer, während ich schimpfend das Zelt aufbaue und mir ständig an den Zeltstangen Kratzer hole. Immer wieder schaue ich zu ihm hin, aber er erwidert meine Blicke nicht.
Als das Zelt endlich steht, hole ich meinen Schlafsack aus dem Wagen. Ich bin k.o. Ich rufe James, werfe den anderen Schlafsack in seine Richtung.
»Wenn du mich schon alles allein tun lässt, kannst du wenigstens deinen Schlafsack selbst ins Zelt tragen«, sage ich und bemühe mich, meine Worte locker klingen zu lassen.
Auch diesmal antwortet er nicht, aber wenigstens steht er auf, folgt mir zum Zelt. Er kriecht hinein, um genau wie ich den Schlafsack auszulegen, doch sein Blick geht immer noch in unbekannte Fernen.
Ich halte einen Moment inne. »Hey«, sage ich, »willst du dich ein bisschen hinlegen?«
Eine Sekunde vielleicht schaut er mich an, dann nickt er, legt sich auf den Rücken und streckt sich aus.
Ich kaue auf meiner Unterlippe, dann lege ich mich neben ihn, schmiege mich an ihn. Genau so, wie er es immer mochte, ein Bein um ihn geschlungen, mein Gesicht in seiner Halsbeuge.
Meine Hand liegt auf seiner Brust, ich lausche auf seinen Atem.
»Ich vermisse dich«, sage ich ruhig. »Ich bin so einsam ohne dich, James. Ich versuche ja, stark zu sein, aber ich weiß nicht, wie viel Kraft ich noch habe. Du musst zu mir zurückkommen. Ich glaube nicht, dass ich das allein durchstehen kann.«
Tränen füllen meine Augen, doch James rührt sich nicht. O Gott, ich will ihn einfach nur wiederhaben. Ich will sein Lachen hören, seine spöttischen Bemerkungen. Ich wünsche mir sein aufgesetztes Selbstbewusstsein zurück.
»Ich liebe dich«, flüstere ich, doch ansonsten bleibt es im Zelt still.
Ich bin dabei, ihn zu verlieren, genau wie die anderen. Ich schniefe, dränge die Tränen zurück und rede mit ihm, als ob er da wäre.
»Ich werde dich nicht gehen lassen, das ist dir doch hoffentlich klar, oder? Ich lasse dich niemals im Stich. Also denk nicht mal daran, dir vielleicht eine andere Freundin zuzulegen.« Ich lächele, tue so, als ob er gelacht hätte. »Ich weiß, im Moment sieht es ziemlich übel aus, aber es wird auch wieder besser werden. Du bist nicht wie Brady. Du stiehlst dich nicht einfach davon. Du wirst mich nicht am Ufer eines Flusses zurücklassen, wo ich mir den Kopf zerbreche und nach Antworten suche. Du bist stärker als er. Das weiß ich.«
Ich schiebe meine Hand unter sein Hemd, lege sie auf sein Herz. Es schlägt so langsam.
»Wir sollten vielleicht deinen Herzschlag ein bisschen in Schwung bringen«, sage ich leichthin. »Bewegung täte dir gut.« Ich stütze mich auf den Ellbogen, blicke hinab in sein schönes Gesicht. Immer noch sind seine Augen auf einen weit entfernten Punkt gerichtet, der mir verborgen bleibt. »Hey«, flüstere ich.
Langsam richtet er den Blick auf mich, kann ihn dennoch nicht auf mich fokussieren. Ein verlorener Ausdruck liegt in seinen Augen.
J ames und ich teilen eine Million Erinnerungen miteinan der, aber ich weiß, dass es ihn nicht aus seiner Starre reißen wird, wenn ich jetzt über seine Spiele in der Kinder-Baseball-Liga rede oder darüber, wie er sich einmal den Fuß an einem Felsen geschnitten hat.
Stattdessen lasse ich meine Hand über seinen Oberkörper gleiten und über seinen Bauch, halte kurz am Bund seiner Jeans inne. Als ich meine Hand darunterschiebe, flattern seine Lider, und er holt hörbar Luft, doch es ist kein tiefer Atemzug.
Ich wäge blitzschnell alle Möglichkeiten ab. Denke daran, dass ich keine Kondome eingepackt habe, und ich bezweifele, dass James welche mitgenommen hat. Doch keiner von uns beiden, ob nun voll bei Verstand oder nicht, würde jemals
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