Du. Wirst. Vergessen.: Roman (German Edition)
scharfe Stimme durchschneidet die Luft, und als ich mich umdrehe, sehe ich Tabitha auf uns zukommen. Ihr rotes Haar ist zu einem unordentlichen Dutt zusammengesteckt. »Realm, ich dachte, du hättest gesagt, du würdest niemanden mitspielen lassen.«
Er seufzt, sieht sie aber freundlich an. »Hallo, Tabitha. Tut mir leid, aber der Tisch ist komplett.«
»Warum darf sie dann mitmachen? Das ist nicht fair, Realm. Du hast es versprochen.«
»Nächstes Mal, ja?« Er lächelt sie an. Sie wirft mir einen hasserfüllten Blick zu und nickt dann traurig, bevor sie davonstolpert.
Diesmal machen die Jungs keine Witze, sondern beginnen mit der ersten Spielrunde.
Sie hat das alles schon gesagt, und trotzdem kommt sie zurück, weil ein Teil ihres Gehirns kaputt ist. Sie hat QuikDeath genommen, und ich frage mich unwillkürlich, ob Miller, hätte er überlebt, auch …
Schwerer, erstickender Kummer legt sich über mich, als ich an meinen Freund denke. Mein Miller, so einsam und verlassen, obwohl wir stets zu ihm standen. Ich werde ihn nie wiedersehen.
Ich spüre eine leichte Berührung an meiner Hand. »Du weinst«, wispert Realm. Erschrocken sehe ich ihn an, während er sich vorsichtig nach den Schwestern umschaut. Er hebt den Arm und wischt mir mit dem Ärmel die Tränen weg, dann ruft er »Bullshit!«, einfach so. Um sie abzulenken.
Sie alle fangen an zu lachen und überprüfen ihre Karten, aber ich blicke Realm dankbar an. Wir machen weiter mit dem Spiel, doch nach ein paar Minuten werden meine Reflexe langsamer. Schon bald schreien die Jungs mich an, dass ich ablegen soll, doch ich schiebe die Karten zusammen und steige aus.
Als ich aufstehe, erhebt sich auch Realm. »Du siehst gar nicht gut aus«, stellt er fest.
»Bin müde. Schwester Kell hat mir eine Pille gegeben und …«
» Moment, hat sie dich deshalb aufgehalten? Warum sollte sie dich jetzt noch eine Pille schlucken lassen?«
»Keine Ahnung.«
Realm schiebt seinen Arm unter meinen, damit er mich stützen kann. Ich lasse es zu. Ich verliere die Orientierung, und ich kann mir nicht vorstellen, wie ich es allein bis in mein Zimmer schaffen sollte.
»Bin gleich wieder zurück, Jungs«, sagt Realm. Sie brummen irgendwas, was ich nicht verstehe, dann führt Realm mich von ihnen fort. »Darf ich dich nach Hause bringen?«, sagt er scherzhaft.
Ich antworte nicht, klammere mich nur an seinen Arm, während er mich aus dem Raum führt. Als wir draußen auf dem Flur sind, legt er einen Arm um meine Schultern.
»Ist alles okay«, flüstert er. »Ich bringe dich sicher zurück.«
Der Flur scheint vor mir zu kippen, trotzdem glaube ich, am anderen Ende jemanden zu sehen. Ich glaube, es ist Roger. Ich stolpere zurück und kralle meine Hand in Realms Hemd.
»Lass ihn nicht in meine Nähe, solange ich in diesem Zustand bin«, bettele ich.
»Wen?« Realm wirft einen Blick in Rogers Richtung und erstarrt. »Was ist los? Ist etwas passiert?«
Roger schaut zu uns hin, und plötzlich habe ich Angst, dass er gleich zu mir kommen wird, während ich so schwach bin, dass ich mich nicht gegen ihn wehren kann. Ich falle fast über meine eigenen Füße.
Realm drängt mich in die andere Richtung, und der Blick seiner Augen ist ganz finster, als er über die Schulter noch einmal zu Roger sieht.
Als wir schließlich ein Zimmer betreten, brauche ich einen Moment, um zu erkennen, dass es nicht meins ist. Alles ist so verschwommen.
»Wo bin ich?«, will ich wissen.
»In meinem Zimmer«, antwortet Realm. »Macht dir doch nichts aus, oder?« Er steckt den Kopf aus der Tür, sieht sich um.
Ich schwanke auf sein Bett zu.
»Ich bringe dich in deins zurück, wenn du aufwachst. Du siehst aus, als würdest du gleich zusammenbrechen«, fügt er hinzu.
Ich fange keine Diskussion darüber an, dass er mich zu sich gebracht hat, sondern steige in sein Bett und lasse meinen Kopf mit einem Seufzer in das Kissen sinken. Meine Augen sind bereits geschlossen, als Realm kommt, mich zudeckt und die Decke sorgfältig um mich feststeckt.
»Ich komme später wieder, ja?«, sagt er.
»Hmmm …«
Er lacht leise, und ich fühle eine sanfte Berührung auf meiner Stirn – ein Kuss, denke ich. Und dann lässt er mich das Medikament wegschlafen, und ich versuche, mir keine Sorgen darüber zu machen, was – oder wer – auf mich warten wird, wenn ich erwache.
7. Kapitel
Geschrei draußen auf dem Flur weckt mich. Ich setze mich abrupt auf, was ich augenblicklich bereue, weil ich das Gefühl habe, dass
Weitere Kostenlose Bücher