Du. Wirst. Vergessen.: Roman (German Edition)
leichthin. »Sonst kommen wir deinetwegen beide in eine andere Einrichtung und müssen noch einmal von vorn beginnen.«
Sie steht abrupt auf, nimmt ihr Tablett und geht. Meine Hände liegen auf der weißen Tischplatte und fühlen sich kalt an. Ich zittere. Erst der Ring, und jetzt Miller. Was fehlt sonst noch, was ich nicht mehr finden kann? Was passiert mit mir?
Und plötzlich weiß ich es. Plötzlich weiß ich, was ich tun muss, wenn ich das hier überleben will. Ich lasse mein Tablett auf dem Tisch stehen und gehe zu einer der Türen. Ich habe sie fast erreicht, als ein älterer Betreuer mich aufhält.
»Wo willst du hin?«, fragt er.
»Toilette.«
»Toiletten gibt es hier auch«, entgegnet er und zeigt auf den hinteren Bereich des Speiseraums.
Ich versuche, mir blitzschnell etwas auszudenken. »Aber da gibt es keine Tampons mehr.«
Er starrt mich streng an, als könnte er allein dadurch schon herausfinden, ob ich meine Tage habe oder nicht. Dann winkt er mich durch. »Beeil dich«, sagt er, dann lässt er den Blick wieder durch den Raum schweifen.
Ich eile hinaus auf den Flur, nicht sicher, wo ich ihn finden werde. Verzweiflung treibt mir heiße Tränen in die Augen, doch ich blinzele sie zurück. Ich muss stärker sein. Ich muss mich selbst retten.
Als ich an der Vorratskammer vorbeigehe, entdecke ich ihn und stoppe so plötzlich, dass ich auf meinen Hausschuhsocken schliddere. Abscheu schnürt mir den Magen zusammen, während ich beobachte, wie er die Toilettenpapierrollen durchzählt und dann die Anzahl auf einem Clipboard notiert.
Als er mich bemerkt, lächelt er. »Hallo, Miss Barstow. Kann ich was für dich tun?«
»Ja, Roger.« Ich ersticke fast an seinem Namen. »Ich schätze, das können Sie.«
Roger schließt die Kammer ab und begleitet mich zu meinem Zimmer. Die ganze Zeit über lächelt er, summt zwisc hendurch sogar ein Lied. Ich kann mich kaum dazu bringen, einen Fuß vor den anderen zu setzen, doch ich habe keine Wahl. »Das Programm« zwingt mich, das zu nehmen, was ich kriegen kann.
Roger öffnet die Tür zu meinem Zimmer und macht einen Schritt beiseite, um mir den Vortritt zu lassen. Als ich an ihm vorbeigehe, nehme ich den starken Geruch nach Minze wahr, und ich weiß, ich werde nie mehr in der Lage sein, Pfefferminz zu schmecken, ohne würgen zu müssen. Ich bleibe mitten im Raum stehen, vermeide es, zum Bett hinzusehen.
Als Roger die Tür schließt und absperrt, verschränke ich die Arme vor meiner Brust. »Verraten Sie mir erst, was mit Realm passieren wird.«
Roger lacht. »Oh, ich bin sicher, Michael Realm geht es gut. Er hat die Gabe, sich aus Dingen herauszuwinden, für die ihr anderen bestraft würdet.«
Ich ziehe die Brauen zusammen. »Was soll das heißen?«
»Das heißt, dass er bald zurückkehren wird. Aber ich hoffe doch, dass du mich nicht seinetwegen hierher gebeten hast, Sloane.« Er legt den Kopf schief, als sei er tatsächlich neugierig.
Ich bin starr vor Angst.
»Woher soll ich wissen, dass Sie mir wirklich meine Erinnerungen zurückgeben können?«
»Ich kann dir deine Erinnerungen nicht zurückgeben«, sagt er, fast schon entschuldigend. »Ich kann nur dabei helfen, dir einige ausgewählte Erinnerungen zu bewahren. Sie gegen die Antigene abzuschirmen.«
»Antigene?«
»Die kleinen gelben Pillen, die du nimmst«, erklärt er. »Die spüren deinen Erinnerungen nach, denjenigen, die Dr. Warren ausgewählt hat. Als Erstes nimmst du die roten Pillen – eine Art Wahrheitsserum, wenn du so willst. Während du erzählst, fungiert es zudem wie ein Marker, heftet sich an deine Gedanken. Die gelben Pillen löschen sie dann aus. Es funktioniert nicht immer exakt, aber bald schon sind weniger und weniger Erinnerungen vorhanden und daher leichter zu finden.«
Die Pillen – sie verschlingen meine Erinnerungen. Dr. Warren hat behauptet, sie würden lediglich dazu dienen, mich zu entspannen. Worüber hat sie mich noch belogen?
»Und wie genau können Sie mir helfen?«, frage ich Roger. »Was können Sie tun, um sie daran zu hindern, mich auszulöschen?«
Er langt in seine Tasche, holt einen kleinen Behälter hervor, öffnet ihn und holt mit den Fingern eine purpurrote Pille heraus. »Die hier kann dir einen einzelnen Gedanken retten, etwas, was du nicht verlieren möchtest. Dir könnte übel davon werden, aber es sollte dir das Risiko wert sein. Wenn du jedoch Dr. Warren davon erzählst, werden sie deine Erinnerungen komplett löschen. Also sei dir bewusst, dass
Weitere Kostenlose Bücher