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Du. Wirst. Vergessen.: Roman (German Edition)

Du. Wirst. Vergessen.: Roman (German Edition)

Titel: Du. Wirst. Vergessen.: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Young
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auf«, sagt Dr. Warren beruhigend. »Es ist die gleiche Dosis. Ich hab dir ja gesagt, du wirst das Medikament so oder so nehmen. Freiwillig ist es nur weniger schmerzhaft.« Sie schaut die Krankenschwester an. »Bereiten Sie schon die andere Spritze für nachher vor.«
    Ich stehe da, halte mir den Arm und komme mir absolut hilflos vor. Dass man mir Gewalt angetan hat, macht mich dermaßen wütend, dass ich fürchte, ich werde gleich alles verpatzen.
    D r. Warren ignoriert meinen offensichtlichen Zorn. »He ute möchte ich mit dir darüber reden, wie es nach dem Tod deines Bruders mit James und dir weiterging. Wie ihr dermaßen voneinander abhängig wurdet.«
    »Wir sind nicht voneinander abhängig, du Miststück. Wir lieben uns.«
    Sie betrachtet mich nachdenklich, wartet geduldig ab, bis ich vollkommen gefügig bin.
    Ich kann bereits spüren, wie die Droge durch meine Adern pulsiert, ich schwanke, weiß, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis ich ihr völlig ausgeliefert bin. Bis ich Dr. Warren alle meine Geheimnisse verrate.
    Als ich wieder in den Sessel sinke, fühlt sich mein Körper so leicht an, mein Kopf ist benebelt, und ich beginne zu erzählen.
    »James und ich waren bereits zwei Monate heimlich zusammen«, sage ich und stütze den Kopf seitlich gegen die Rückenlehne. »Es war ganz schön schwer, es vor Brady zu verbergen. James hat dauernd bei uns übernachtet, und jeden Morgen gegen drei schlich er sich aus Bradys Zimmer und schlüpfte zu mir ins Bett. Wir haben uns geküsst und uns flüsternd unterhalten, und stets hat mich James zum Lachen gebracht. Ich wollte nicht verheimlichen, was ich für ihn empfinde, aber ich wusste, dass die anderen nicht mit unserer Beziehung einverstanden gewesen wären. Brady nicht und auch nicht unsere Eltern. Also haben wir auf diese Weise viel Zeit miteinander verbracht, hielten uns in den Armen, redeten davon, dass wir aus Oregon weggehen würden.«
    »Hattet ihr Sex?«, will Dr. Warren wissen und notiert sich etwas in ihren Akten.
    »Nein. Wir hätten miteinander schlafen können, aber wir haben es nicht getan.« Ich lächele vor mich hin. »Wir haben nur ziemlich viel geknutscht.« Meine Augen schließen sich wie von selbst, ich fühle mich weit entfernt. »Nachdem Brady gestorben war, peinigten James Schuldgefühle. Mir ging es noch schlechter. Hätte ich schwimmen gekonnt, ich hätte ihn vielleicht retten können. Er war mein Bruder, und ich habe die Anzeichen nicht bemerkt. Ich habe mich gefragt, ob es daran lag, dass alle meine Gedanken nur um James kreisten. Und dass James zu viel an mich gedacht hat. In jener ersten Woche haben wir uns voneinander ferngehalten, James und ich. Ich habe es nicht mal fertiggebracht, ihn anzusehen.«
    »Und was hat sich dann geändert?«
    »Nachdem mein Bruder beerdigt war, meine Mutter nicht mehr ständig weinte und mein Vater mit dem Trinken aufgehört hatte, richteten meine Eltern ihre ganze Aufmerksamkeit auf mich. Sie hatten Angst, ich wäre ebenfalls depressiv, und sie begriffen nicht, dass es nur Trauer war. Mein Bruder war mein bester Freund gewesen, und ich wollte ihn zurück.« Ich schweige einen Moment, schlucke schwer. »Doch er würde niemals mehr zurückkommen. Er würde mich niemals wieder aufs Riesenrad mitnehmen, in dem wir ganz oben stehen bleiben. Er würde mir niemals mehr das Schwimmen beibringen können.«
    Dr. Warren reicht mir ein Taschentuch, und ich wische mir die Augen, obwohl ich gar nicht gemerkt habe, dass ich weine. Ich spüre auch nichts auf meinen Wangen. Ich bin taub.
    »Und dann habe ich eines Nachmittags meine Mutter in Bradys Zimmer entdeckt«, fahre ich fort. »Sie war dabei, seine Sachen wegzupacken, und ich bin ausgerastet. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass seine Sachen in einer Kiste landen, so wie er in einer Kiste gelandet ist. Ich habe ihr gesagt, dass ich sie hasse.« Ich senke den Kopf. »Ich bin nicht stolz darauf, aber ich war so in den Gefühlen meiner Eltern gefangen, und ich brauchte meine eigene Zeit, um zu trauern. Aber sie wollten mich nicht trauern lassen. Am nächsten Tag fand ich eine Broschüre des ›Programms‹ neben dem Telefon. Und ich wusste, ich durfte sie nie mehr sehen lassen, dass ich weine. Ich wusste, dass ich mit James reden musste, weil Brady uns aufgetragen hatte, aufeinander aufzupassen.
    All das Ausfragen, die Therapie, das Überwachen in der Schule haben mich überfordert. Ich habe mich dermaßen einsam gefühlt, dass ich schon fürchtete, ich

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