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Du. Wirst. Vergessen.: Roman (German Edition)

Du. Wirst. Vergessen.: Roman (German Edition)

Titel: Du. Wirst. Vergessen.: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Young
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aufzunehmen. Ohne jegliche Einmischung. Zumindest behaupten sie das in den Broschüren über »Das Programm«.
    Aber ich habe nie erlebt, dass einer der Rückkehrer in sein altes Leben zurückgefunden hätte. Es auch nur gewollt hätte. Ganze Teile ihres Seins wurden ausradiert, frühere Beziehungen bedeuten ihnen nichts mehr. Ehrlich gesagt, ich glaube fast, dass ihr altes Leben ihnen Angst macht.
    Miller schnaubt bei dem Gedanken an die neue Lacey, die ausgehöhlte Lacey. Er will, dass sie sich an ihn erinnert, an das, was sie sich gemeinsam geschaffen haben. Miller und James, beide sind sie davon überzeugt, dass »Das Programm« schlimmer ist als der Tod.
    Auch Lacey teilte diese Meinung. Ihre Eltern hatten in ihrem Zimmer eine Flasche QuikDeath gefunden, und eben das war der Grund, weshalb ihr eigener Vater und ihre Mutter sie ausgeliefert haben. Lacey hatte vor, sich umzubringen, hatte dieses Giftzeug einem kranken Typ nach der Schule abgekauft.
    Miller macht sich noch immer schwere Vorwürfe, dass er nichts davon geahnt hat. James und ich fragten uns oft, ob er wohl gemeinsam mit ihr aus dem Leben geschieden wäre.
    Nachdem man Lacey weggebracht hatte, ist Miller in ihr Zimmer eingebrochen, denn er hat gewusst, dass man ihn aus ihrem Leben löschen würde. Genau wie auch uns andere. Sämtliche Fotos waren bereits verschwunden, ihr e Kleidung, ihr gesamter persönlicher Besitz. »Das Programm« hatte ganze Arbeit geleistet. Alles, was Miller von Lacey geblieben ist, ist eine Schreibkladde, die sie in seinem Wagen vergessen hat. Er hat sie behalten, in der Hoffnung, dass sich ein Stückchen von ihr darin bewahren lässt.
    Eines Nachmittags saßen wir am Fluss und sahen ihre Aufzeichnungen durch. Lachten, als wir die Bilder von unseren Lehrern entdeckten, die sie auf die Ränder gezeichnet hatte. Doch bald veränderten sich die Notizen. Eine Matheaufgabe löste sich in schwarze Spiralen auf, die mit Tinte ins Papier gekratzt waren. Ihr Geist war infiziert, und auf den Seiten zeichnete sich ab, wie schnell die Depression von ihr Besitz ergriffen hat. Lediglich zwei Wochen hat es gedauert.
    Ich hasse »Das Programm« und was es uns antut, aber ich weiß auch, dass ich nicht sterben will. Ich will nicht, dass irgendeiner von uns stirbt. Trotz allem hat unser Schuldistrikt die höchste Überlebensrate im Land. Also denke ich, dass »Das Programm« funktioniert – wenn auch auf eine kranke, perverse Weise. Wenn auch das Ergebnis ein nur halb gelebtes Leben ist.
    James hält den klapprigen Honda seines Vaters kurz neben der Beifahrerseite unseres Wagens an. Er lächelt, als er mich sieht, doch sein Lächeln ist zu strahlend, zu normal. Dann nickt er Miller zu.
    »Dein Freund scheint besorgt zu sein«, murmelt Miller, als James an uns vorbeifährt, um den Wagen zu parken. »Das ist kein gutes Zeichen. James ist niemals wegen irgendwas besorgt.«
    Ich antworte nicht, weil ich weiß, dass es nicht stimmt. Aber ich bin die Einzige, die diese Seite von James zu sehen bekommt. Für alle anderen ist er unser Felsen. Der Felsen, der uns Halt gibt.
    Miller öffnet die Tür und steigt aus, lässt mich für einen Moment im Wagen sitzen, im wärmenden Licht der Sonne, das durch die Windschutzscheibe fällt. Ein Klingeln ist zu hören, das Signal, dass dieser Schultag für die Rückkehrer beendet ist. Ich schlucke.
    Dann öffne ich die Beifahrertür und gehe zu James und Miller, die miteinander reden. Über meine Schulter hinweg werfe ich einen Blick auf das Schulgebäude, aus dem nun vereinzelt Schüler und Betreuer treten und in Richtung Parkplatz gehen.
    Die Sumpter High ist klein, rund zweihundert Schüler gibt es hier. Aber ihre Anzahl vergrößert sich jede Woche, da fünf Schulen Kids in das Mahlwerk des »Programms« schicken. Die Ärzte behaupten, das Gehirn eines eben Zurückgekehrten sei wie Schweizer Käse, mit Löchern dort, wo sich einmal Erinnerungen befanden, und darum bräuchten die Patienten kontinuierliche Nachsorge und eine sichere Umgebung. Deshalb bleiben die Rückkehrer bis zu ihrem Abschluss hier – so viel dazu, wie ernst man es meint mit dem »Wir mischen uns nach der Genesung nicht mehr ein«.
    Damals, als man die ersten Behandlungen durchführte, hat man die Rückkehrer einfach so in ihre normale Umgebung zurückgeschickt. Doch nachdem immer mehr durch die Reizüberflutung einen Zusammenbruch erlitten – »Zusammenbruch« wie in »ihr Gehirn ist komplett zu Pudding geworden« –, hat man die Sumpter

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