Du. Wirst. Vergessen.: Roman (German Edition)
High eingerichtet und jedem von ihnen vorübergehend einen Babysitter mit weißem Kittel und Taser zur Seite gestellt.
Allerdings sind die Betreuer nicht das einzige Gruselige an der Sache. Auch die Rückkehrer selbst können recht gefährlich werden. Sicherlich steckt keine böse Absicht dahinter, aber wenn sie in ihrer Verwirrung glauben, du belästigst sie, bist du dran und kannst selbst weggeschickt werden. Also will freiwillig niemand etwas mit ihnen zu tun haben.
Na ja, bis heute.
Als ich zu den beiden Jungs trete, lächelt James mich beruhigend an. Es ist Zeit. Miller zieht sich die Baseballkappe tiefer ins Gesicht und hält sich das Handy ans Ohr, tut so, als würde er telefonieren, während er von uns wegschlendert. Mein Herz klopft wie verrückt in meiner Brust, als ein paar Leute an uns vorbeigehen. Ein paar von ihnen habe ich mal gekannt.
Normalerweise sieht man Rückkehrer nicht oft zusammen mit »Normalen«. Bei denen von der Sumpter High ist das anders. Unsere Gemeinde hat vor einigen Monaten ein Wellness Center eröffnet, um eine »sichere Umgebung« zu schaffen, in der sich Rückkehrer und Normale begegnen können. Es gehört zu den Glaubenssätzen des »Programms«, dass Anpassung der Schlüssel zur vollständigen Genesung ist, aber natürlich läuft alles nach ihren Bedingungen ab. Die strenge Überwachung in solchen Einrichtungen ist nichts als ein ausgeweiteter Teil der Behandlung. Doch während sämtliche Schüler in unserem Distrikt gezwungen sind, drei Pflichtstunden pro Semester dort abzuleisten, gehen die meisten Rückkehrer gern dorthin. Offensichtlich wissen sie es nicht besser.
James fälscht die entsprechenden Bestätigungen, um das Wellness Center zu schwänzen. Er behauptet, das Center sei nichts als eine Propaganda-Einrichtung des »Programms« – eine Zurschaustellung, wobei die Rückkehrer die Ausstellungsobjekte sind. Ehrlich, ich glaube auch, dass das Wellness Center nur eingerichtet wurde, um zu beweisen, dass die Rückkehrer keine Freaks sind. Dass sie sich nach der Rückkehr problemlos wieder in die Gesellschaft einfügen können. Aber auch wenn sie noch so viele Werbespots mit lächelnden Kids zeigen, die Tischfußball spielen: Unsere Ängste nimmt uns das nicht.
Ich war in diesem Halbjahr noch kein einziges Mal im Wellness Center, aber nach dem, was ich von anderen gehört habe, werden die Rückkehrer dort von ihren Betreuern keinen Moment lang aus den Augen gelassen. Das allein zeigt ja schon deutlich, wie anders sie sind. Man hat sie neu programmiert – emotional und was ihre sozialen Kontakte betrifft.
James muss meine Furcht spüren, denn er ergreift meine Hand und verschränkt ganz kurz seine Finger mit meinen, bevor er mich wieder loslässt.
»Was auch immer passiert, spiel einfach mit«, sagt er.
»Hört sich nicht sehr beruhigend an.«
»Wir tun einfach so, als würden wir Feldforschung betreiben.«
»Im Ernst?« Ich schaue ihn an.
»Na ja, um für eine Ablenkung zu sorgen, würde ich dir sogar erlauben, mir in einem ›Eifersuchtsanfall‹ eine runterzuhauen, aber diese Art von aggressivem Benehmen schätzen sie wohl nicht sehr.«
»James, ich finde immer noch, wir …«
»Warum seid ihr beiden hier?«, unterbricht uns eine tiefe Stimme.
Ich zucke zusammen, aber James wirkt ganz cool, als er sich dem Betreuer zuwendet, der uns mit Blicken durchbohrt.
Ein paar der Rückkehrer werden aufmerksam, bleiben stehen. Aus großen Augen sehen sie uns neugierig an – die Unschuld, die in ihren Blicken liegt, weckt mein Mitleid. Unter ihnen, im Hintergrund, ist auch Dana Sanders, die vergessen hat, dass sie länger als ein Jahr mit meinem Bruder zusammen war.
Ich halte den Mund und lasse James reden.
»Wegen einem Schulprojekt«, antwortet James ruhig und kramt in seiner Tasche. »Dr. Ryerson meinte, wenn wir uns hier auf dem Parkplatz umschauen, würde uns das zeigen, wie gut sich die Rückkehrer in ihr neues Leben einfügen. Daran würde man sehen, wie positiv sich ›Das Programm‹ auf ihr Verhalten auswirkt.«
James holt eine Bescheinigung hervor, unterzeichnet von einem »Dr. Ryerson«, den es, dessen bin ich mir sicher, gar nicht gibt und der auch nirgendwo auffindbar sein wird.
Das Blut rauscht mir in den Ohren, während sich der Betreuer die Bescheinigung aufmerksam anschaut. Dann, als ich an ihm vorbeiblicke, entdecke ich sie endlich, und jeder einzelne meiner Muskeln spannt sich an.
Lacey Klamath – meine beste Freundin – geht quer über den
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