Dubliner (German Edition)
erkundigtesich bei Miss Daly nach dem Namen des hübschen Walzers, den sie gespielt hatte; und sobald Mr Browne merkte, dass er nicht mehr beachtet wurde, wandte er sich sofort den beiden jungen Männern zu, die ihm mehr Aufmerksamkeit schenkten.
Eine rotgesichtige junge Frau in einem tiefblauen Kleid kam herein, klatschte aufgeregt in die Hände und rief:
– Quadrille! Quadrille!
Ihr folgte auf den Fersen Tante Kate, die rief:
– Zwei Herren und drei Damen, Mary Jane!
– Oh, hier sind Mr Bergin und Mr Kerrigan, sagte Mary Jane. Mr Kerrigan, würden Sie Miss Power nehmen? Miss Furlong, darf ich Ihnen Mr Bergin als Partner vorschlagen? So, dann stimmt es ja.
– Drei Damen, Mary Jane, sagte Tante Kate.
Die beiden jungen Herren fragten die Damen, ob sie um diesen Tanz bitten dürften, und Mary Jane wandte sich zu Miss Daly.
– Ach, Miss Daly, das ist wirklich reizend von Ihnen, denn Sie haben ja schon bei den letzten beiden Tänzen gespielt, aber wir haben heute Abend einfach nicht genügend Damen.
– Mir macht das gar nichts aus, Miss Morkan.
– Ich hätte aber einen sehr netten Tanzpartner für Sie, Mr Bartell D’Arcy, den Tenor. Später werde ich ihn bitten zu singen. Ganz Dublin schwärmt von ihm.
– Herrliche Stimme, herrliche Stimme!, sagte Tante Kate.
Das Klavier hatte schon zweimal zum Präludium für die erste Tanzfigur angesetzt, und darum führte Mary Jane ihre Rekruten schnell aus dem Zimmer. Kaum waren sie gegangen, da kam Tante Julia langsam herein und drehte sich dabei nach irgendetwas um.
– Was ist denn nur, Julia?, fragte Tante Kate besorgt. Wer ist da?
Julia, die einen Stapel Servietten in der Hand hielt, sah ihre Schwester an und sagte einfach, als erstaunte sie die Frage:
– Es ist nur Freddy, Kate, und Gabriel ist bei ihm.
Tatsächlich war unmittelbar hinter ihr Gabriel zu sehen, der Freddy Malins über den Treppenabsatz lotste. Dieser war ein jüngerer Mann von etwa vierzig, der annähernd Gabriels Größe und Statur und einen sehr krummen Rücken hatte. Sein Gesicht war feist und blass und zeigte nur an den großen, fleischigen Ohrläppchen und an den breiten Nasenflügeln etwas Farbe. Er hatte grobe Züge, eine stumpfe Nase, eine fliehende Stirn und wulstige Lippen. Seine hängenden Augenlider und sein ungekämmtes, schütteres Haar ließen ihn schläfrig aussehen. Gerade lachte er mit einer hellen Stimme über eine Geschichte, die er Gabriel erzählt hatte, und gleichzeitig rieb er die Knöchel seiner linken Faust in seinem linken Auge hin und her.
– Guten Abend, Freddy, sagte Tante Julia.
Freddy Malins wünschte den Misses Morkan in einer Art, die wegen seiner stockenden Sprechweise unhöflich wirkte, einen Guten Abend, und als er dann Mr Browne entdeckte, der ihm von der Anrichte her zugrinste, durchquerte er das Zimmer auf recht unsicheren Beinen und fing an, die Geschichte, die er gerade Gabriel erzählt hatte, noch einmal leise zu wiederholen.
– Es ist gar nicht so schlimm mit ihm, oder?, sagte Tante Kate zu Gabriel.
Gabriel hatte ein finsteres Gesicht gemacht, aber jetzt blickte er schnell auf und sagte:
– Nein, nein, man merkt kaum etwas.
– Ist er nicht ein schrecklicher Mensch!, sagte sie. Und dabei musste er seiner armen Mutter an Silvester versprechen, keinen Tropfen mehr anzurühren. Aber komm, Gabriel, gehen wir in den Salon.
Bevor sie mit Gabriel den Raum verließ, machte sie Mr Browne Zeichen, indem sie die Stirn runzelte und warnend ihren Zeigefinger erhob. Mr Browne nickte zur Antwort, und als sie gegangen war, sagte er zu Freddy Malins:
– So, Teddy, dann werde ich dir jetzt mal zur Stärkung ein großes Glas Limonade eingießen.
Freddy Malins, der gerade zur Pointe seiner Geschichte kam, wischte das Angebot unwillig beiseite, aber Mr Browne, der zuvor Freddy Malins darauf aufmerksam gemacht hatte, dass bei ihm einige Knöpfe offen standen, füllte ein Glas mit Limonade und reichte es ihm. Freddy Malins nahm das Glas mechanisch mit der linken Hand entgegen, da seine Rechte mechanisch damit beschäftigt war, seine Kleidung in Ordnung zu bringen. Mr Browne, dessen Gesicht sich von Neuem vor Heiterkeit in Falten legte, goss sich selbst ein Glas Whisky ein, während Freddy Malins, noch ehe er zur Pointe seiner Geschichte gekommen war, in zwanghaft wieherndes, hustendes Gelächter ausbrach, das überschwappende Glas unberührt abstellte und wieder anfing, sich mit den Knöcheln seiner linken Faust das linke Auge zu reiben, wobei er einige
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