Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dubliner (German Edition)

Dubliner (German Edition)

Titel: Dubliner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Joyce
Vom Netzwerk:
entgegnete Mr Bartell D’Arcy gleichgültig.
    – Denn, sagte Freddy Malins erklärend, es würde mich sehr interessieren, Ihre Meinung über ihn zu hören. Ich finde, er hat eine großartige Stimme.
    – Teddy weiß immer am besten, wo die richtig guten Dinge zu finden sind, sagte Mr Browne vertraulich zu den anderen am Tisch.
    – Und warum sollte er auch keine gute Stimme haben?, fragte Freddy Malins scharf. Etwa nur, weil er schwarz ist?
    Niemand antwortete auf diese Frage, und Mary Jane lenkte das Tischgespräch zurück zur richtigen Oper. Eine ihrer Schülerinnen habe ihr eine Freikarte für Mignon * gegeben. Natürlich sei es wunderschön gewesen, sagte sie, aber sie habe dabei an die arme Georgina Burns denken müssen. Mr Browne konnte sich noch weiter zurückerinnern, an die alten italienischen Ensembles, die früher nach Dublin kamen – Tietjens, Ilma de Murzka, Campanini, die große Tribelli, Giuglini, Ravelli, Aramburo. Das waren noch Zeiten, sagte er, da bekam man in Dublin noch richtigen Gesang zu hören. Er erzählte auch, wie damals der oberste Rang im alten Royal Abend für Abend brechend voll war, wie ein italienischer Tenor an einem Abend fünfmal Lasst mich sterben als Soldat * da capo singen musste und dabei jedes Mal das hohe C schaffte, wie die Jungs von der Galerie manchmal vor lauter Begeisterung die Pferde vom Wagen einer großen Primadonna ausspannten und sie dann selber durch die Straßen zu ihrem Hotel zogen. Warum wurden die großen alten Opern denn heutzutage nicht mehr gespielt, wollte er wissen, Dinorah, Lucrezia Borgia * ? Weil sie nicht die Stimmen bekamen, die sie hätten singen können, darum.
    – Nun, sagte Mr Bartell D’Arcy, ich vermute, dass es heute genauso gute Sänger gibt wie damals.
    – Und wo sind sie?, fragte Mr Browne herausfordernd.
    – In London, Paris, Mailand, erwiderte Mr Bartell D’Arcy hitzig. Ich meine zum Beispiel, dass Caruso genauso gut, wenn nicht besser ist als die Sänger, die Sie genannt haben.
    – Mag sein, sagte Mr Browne. Aber ich sage Ihnen, dass ich das sehr bezweifle.
    – Ach, was würde ich dafür geben, Caruso singen zu hören!, sagte Mary Jane.
    – Für mich, sagte Tante Kate, die einen Knochen abgenagt hatte, gab es nur einen Tenor. Der mir gefallen hat,meine ich. Aber ihr habt wahrscheinlich noch nie von ihm gehört.
    – Wer war das, Miss Morkan?, frage Mr Bartell D’Arcy höflich.
    – Sein Name, sagte Tante Kate, war Parkinson. Ich habe ihn in seiner Glanzzeit gehört, und ich glaube, dass er damals die reinste Tenorstimme besaß, die einem Mann je vergönnt war.
    – Seltsam, sagte Mr Bartell D’Arcy. Ich habe noch nie von ihm gehört.
    – Doch, ja, Miss Morkan hat Recht, sagte Mr Browne. Ich erinnere mich, von dem alten Parkinson gehört zu haben, aber er war lange vor meiner Zeit.
    – Eine wunderschöne reine, weiche, volle englische Tenorstimme, sagte Tante Kate schwärmerisch.
    Als Gabriel fertig war, wurde der riesige Pudding auf den Tisch gestellt. Das Klappern von Gabeln und Löffeln begann von Neuem. Gabriels Frau teilte Portionen des Puddings aus und reichte die Teller den Tisch hinunter. Auf der Hälfte des Weges wurden sie von Mary Jane angehalten, die sie mit Götterspeise in Himbeer- oder Orangengeschmack oder Flammeri mit Konfitüre auffüllte. Den Pudding hatte Tante Julia gemacht, und sie erhielt dafür von allen Seiten großes Lob. Sie selbst sagte, er sei nicht braun genug geraten.
    – Nun, ich hoffe, Miss Morkan, sagte Mr Browne, dass ich für Ihren Geschmack braun genug geraten bin, denn ich bin ja durch und durch Browne.
    Alle Herren außer Gabriel aßen Tante Julia zuliebe etwas von dem Pudding. Gabriel aß nie süße Sachen, und darum hatte man ihm von den Selleriestangen übrig gelassen. Freddy Malins nahm auch eine Stange Sellerie und aß sie zu seinem Pudding. Er hatte gehört, dass Sellerie sehr gut für das Blut sei, und er befand sich zu dieser Zeit in ärztlicher Behandlung. Mrs Malins, die während der ganzenMahlzeit geschwiegen hatte, sagte jetzt, ihr Sohn werde in ein oder zwei Wochen hinunter nach Mount Melleray * gehen. Am Tisch sprach man daraufhin über Mount Melleray, wie belebend die Luft dort unten sei und wie gastfreundlich die Mönche, und dass sie von ihren Gästen keinen einzigen Penny verlangten.
    – Soll das heißen, fragte Mr Browne ungläubig, dass man dorthin gehen kann, sich wie in einem Hotel einquartiert, in Saus und Braus lebt und dann nach Hause fährt, ohne einen roten

Weitere Kostenlose Bücher