Duddits - Dreamcatcher
deutlich vor Augen, wie der Mann die Zähne in das rohe, fette Fleisch schlug, das zwischen den Brotscheiben heraushing, graues Fleisch mit braunen Streifen wie eine alte abgetrennte Pferdezunge. Deke gab hinter seiner Hand würgende Geräusche von sich.
Ein Wagen bog auf den Hof. Das hatte ihm gerade noch gefehlt: Kundschaft, während er kurz davor stand loszureihern. Es war kein Pkw und auch kein Pick-up. Es war auch kein Sportvehikel. Es war einer dieser scheußlichen Hummer-Jeeps mit schwarzgrünem Tarnanstrich. Vorn saßen zwei Leute drin, und hinten meinte Deke einen Dritten zu entdecken.
Er reckte den Arm, drehte das Schild an der Tür so um, dass man von draußen geschlossen sah, und wich dann von der Tür zurück. Er stand auf, wenigstens das gelang ihm, aber jetzt fühlte er sich gefährlich nah dran, wieder zusammenzubrechen. Die haben mich hier drin gesehen, das ist mal klar, dachte er. Jetzt kommen sie rein und fragen, wo der andere hin ist, denn sie sind hinter ihm her. Sie wollen ihn kriegen, sie verfolgen den Baconsandwichmann. Und ich werde es ihnen sagen. Sie werden mich dazu bringen, es ihnen zu sagen. Und dann …
Seine Hand hob sich vor seine Augen. Zeige- und Mittelfinger, bis zum zweiten Fingerglied mit getrocknetem Blut überzogen, wurden klauenförmig vorgestreckt. Sie zitterten. Für Deke sah es fast so aus, als winkten sie. Hallo, Augen, wie geht’s denn so? Schaut schön, solange ihr noch könnt, denn bald kommen wir euch holen.
Die Person, die hinten im Humvee saß, beugte sich vor und sagte anscheinend etwas zu dem Fahrer, und dann setzte der Wagen zurück und fuhr dabei mit einem Hinterreifen durch die Kotzelache, die der letzte Kunde hinterlassen hatte. Er hielt kurz an der Straße und fuhr dann in Richtung Ware und Quabbin davon.
Als der Wagen hinter dem ersten Hügel verschwunden war, fing Deke McCaskell an zu weinen. Er ging zurück zum Ladentresen (er wankte, hielt sich aber auf den Beinen), und da fiel sein Blick auf die am Boden liegenden Zähne. Drei Zähne. Seine. Der bescheidene Preis, den er hatte zahlen müssen. Ein wirklich lächerlich geringer Preis. Dann blieb er stehen und starrte die drei Dollarscheine an, die immer noch auf dem Ladentresen lagen. Auf ihnen wuchs jetzt ein blasser rotorangefarbener Flaum.
22
»Ich iehr! Ahr eiter!«
Eiter?, wunderte sich Owen müde, aber er verstand Duddits nur zu gut (es war wirklich nicht schwer, wenn man sich einmal eingehört hatte): Nicht hier! Fahr weiter!
Owen steuerte den Humvee zur Route 32 zurück, und Duddits setzte sich wieder – sackte wieder – nach hinten und fing wieder an zu husten.
»Da«, sagte Henry und zeigte darauf. »Siehst du das?«
Owen sah es. Ein paar Plastiktüten, unter dem prasselnden Regen schon fast mit dem Boden verschmolzen, und ein Glas Mayonnaise. Dann fuhren sie Richtung Norden weiter. Die Regentropfen, die auf die Windschutzscheibe prasselten, waren groß, und das sagte Owen, dass der Regen bald in Schneeregen und dann höchstwahrscheinlich in Schnee übergehen würde. Er war der vollkommenen Erschöpfung nahe, und das Schwinden der telepathischen Kräfte hatte ihn auf eigenartige Weise traurig gemacht, und Owen stellte fest, dass seine Hauptsorge nun darin bestand, dass er ausgerechnet bei so scheußlichem Wetter sterben musste.
»Wie weit ist er uns jetzt voraus?«, fragte Owen und wagte nicht, stattdessen die einzige Frage zu stellen, auf die es ankam: Ist es schon zu spät? Er nahm an, dass Henry ihm das sagen würde, sollte es so weit kommen.
»Er ist da«, sagte Henry geistesabwesend. Er hatte sich auf dem Sitz umgedreht und wischte Duddits mit einem feuchten Tuch das Gesicht ab. Duddits sah ihn dankbar an und versuchte zu lächeln. Seine aschfahlen Wangen schwitzten jetzt, die schwarzen Ränder unter seinen Augen waren größer geworden, und er sah aus wie ein Waschbär.
»Wenn er da ist, wieso mussten wir dann hierher kommen?«, fragte Owen. Er beschleunigte den Hummer-Jeep auf hundert, was auf der glatten zweispurigen Asphaltstraße sehr gefährlich war, aber sie hatten keine andere Wahl.
»Ich wollte nicht riskieren, dass Duddits die Linie verliert«, sagte Henry. »Wenn das passieren würde …«
Duddits stöhnte laut auf, schlang die Arme um seinen Oberkörper und krümmte sich. Henry, der immer noch verkehrt herum auf seinem Sitz hockte, streichelte ihm den schmalen Hals.
»Ganz ruhig, Duds«, sagte er. »Gleich geht’s dir wieder besser.«
Doch das stimmte nicht.
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