Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici
überprüfen können?«
»Die Unterschrift ist echt«, knurrte ich. »Vom Rest weiß ich nichts.«
Sie sah mich verständnislos an, und ich setzte hinzu: »Der Mann, den ich schickte, die Briefe zu überprüfen, ist leider einen Tag später ermordet worden, sodass ich keine endgültige Gewissheit habe.«
»Ermordet? O Mein Gott, seid Ihr sicher? Was sagen die Behörden dazu?«
»Ich habe seinen Tod nicht gemeldet. Ich denke, seine Familie hat es getan. Er war aus der Tuchfärberstraße, und ich nehme nicht an, dass sein Tod irgendwelchen Wirbel verursacht hat.« Ich dachte an den untersetzten Körper Lapo Rucellais, wie ihn die Schwere des Todes am Ufer des Arno festhielt, und an den Batzen Geld, den ich über den Fondaco an seine Witwe hatte auszahlen lassen. Ich hoffte, es reichte, dass Lapos Tochter sich für eine Weile nicht mehr den Rock von ihrer Mutter aufheben lassen musste.
Beatrice war merklich blasser geworden. Ihre Gedanken gingen in dieselbe Richtung wie meine, denn sie sagte: »Und Ser Velluti…«
»… hat sich in den Arno gestürzt. In den Fluss, in den er freiwillig nie gegangen wäre, nicht mal zum Sterben. Ich habe ihn über eine Brücke gehen sehen: Er hatte mehr Angst vorm Wasser als eine Katze.«
»Bitte sagt mir nicht, was Ihr darüber denkt.«
»Das brauche ich nicht zu tun.«
Sie nickte verbissen. Ihre Augen waren weit aufgerissen.
»Und nicht zuletzt«, vollendete ich, »läuft mir hier in Florenz ein Kerl mit einer Lederschürze und einem aufgeschundenen Gesicht nach; einer Schürze, wie sie Steinmetze tragen, und einem Gesicht, in dem die Narben von Tausenden kleinen Steinsplittern sitzen. Er ist mir auch hierher gefolgt.«
»Hört auf.«
»Allerdings trug er heute keine Schürze und andere Kleider. Er bewegte sich so unbeholfen darin, dass er mir sogar aufgefallen wäre, wenn er nicht ständig in großem Abstand hinter mir hergelaufen wäre und selbst die kleinen Umwege mitmachte, die ich einschlug, um ihn auf die Probe zu stellen.«
»Das alles beweist noch nicht, dass mein Bruder etwas damit zu tun hat«, sagte sie verzweifelt.
»Nein«, sagte ich und stand auf. »Und es beweist noch nicht, dass Jana unschuldig ist. Aber wisst Ihr was? Ich glaube daran. Und ich stelle fest, dass ich die ganze Zeit über daran geglaubt habe. Ich wusste es nur nicht.«
»Ich möchte Euch helfen.«
»Selbst wenn es gegen Euren Bruder geht?«
»So, wie Ihr daran glaubt, dass Jana unschuldig ist, so glaube ich daran, dass mein Bruder nicht hinter all diesem Intrigieren und Morden steckt. Es geht daher nicht gegen Antonio, wenn ich Euch unterstütze.«
»Warum wollt Ihr es tun?«
»Weil es für Euch immer noch etwas festzustellen gibt.«
Ich wusste, worauf sie anspielte. Und ich musste ihr Recht geben. Ich zweifelte nicht mehr daran, dass man Jana hereingelegt hatte, doch hatte es mir kaum Erleichterung gebracht. Denn es gab etwas zu klären, das im Endeffekt viel wichtiger war als ihre Schuld oder Unschuld: Es galt festzustellen, ob unsere Liebe noch Bestand hatte. Ich für meinen Teil musste ihr dazu gegenüberstehen. Wenn es sonst keinen Grund gab, sie aus dem Gefängnis zu befreien, dann diesen. Ich stand auf und stapfte hinaus und fühlte Beatrices Blicke in meinem Rücken.
2.
D
er Mann mit der Schürze, der heute der Mann mit der schlecht sitzenden rosaroten Schaube und dem hohen Hut war, wartete in einem Hauseingang auf mich. Er wandte nur sein Gesicht ab, als ich an ihm vorbeiging, und nahm dann die Verfolgung auf. Ich führte ihn zu Santissimi Apostoli, der kleinen Kirche mit dem Kinderfriedhof in der Nähe des Arno-Ufers. Er folgte mir mit weitem Abstand, und so war es ein Leichtes, die Gittertür zum Friedhof zu öffnen, hineinzuschlüpfen und mich hinter einem der Grabsteine zu verbergen, bevor er auf den Platz hinaustrat. Er stapfte unbeirrt weiter in die Gasse hinein. Ich wartete mit erzwungener Geduld; er tauchte bald wieder auf, den Kopf verwirrt hin und her drehend und schließlich zu dem unausweichlichen Schluss kommend, dass ich in der Kirche sein müsse. Er warf nur einen kurzen Blick über die Mauer des Friedhofs, dann griff er nach der Kirchentür. Plötzlich hielt er inne; er schien zu überlegen, wie auffällig es wohl wäre, wenn ich in der Kirche steckte und betete und er wie zufällig dazukam. Dieses Dilemma beschäftigte ihn eine ganze Weile, bis er die Denkerei durch die Tat ersetzte und einfach die Tür aufriss. Er verschwand in der Kirche,
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