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Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici

Titel: Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Administrator
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Gesicht, als wir inmitten der wartenden Menge zum Halten kamen, und nicht einmal mehr die drei Berittenen an der Spitze vermochten, das Volk auseinander zu scheuchen.
    »Ich schätze, da hilft auch das Wappen der Medici nichts«, sagte ich. »Am Feiertag will einfach jeder in die Stadt hinein.«
    »Wenn es ehrbare Bürger wären, die sich hier drängen, würden sie uns den Weg freigeben«, erwiderte der Kardinal. »Das hier ist jedoch hauptsächlich Pöbel.«
    »Es ist bedauerlich, unter solchen Unseligen stehen und warten zu müssen«, sagte eine dritte Stimme in halbwegs flüssigem Latein. Ich drehte mich erstaunt um. Ein untersetzter Mann in einem graubraunen Mantel und einer zerknüllten Lederkappe sah zu mir herauf; neben ihm standen zwei Frauen in ähnlich farblosen Gewändern, die Mutter und Tochter sein konnten: Die ältere der beiden trug ein dicht gewebtes Tuch in gebrochenem Weiß auf dem Kopf, die jüngere war barhäuptig und höchstens siebzehn oder achtzehn Jahre alt. Bei näherem Hinsehen entpuppte sich die Frisur des Mädchen als ungeschickt aufgesteckt, das Tuch der Mutter war weniger chamoisfarben als vielmehr speckig und der Mantel des Mannes an den Schultern, Ärmelöffnungen und am Saum rettungslos abgestoßen. Was wie Schmutz auf seinen Wangen ausgesehen hatte, war ein zu lange nicht rasierter Bart; tatsächlicher Schmutz war dagegen unter seinen Fingernägeln und in jeder Rille seiner Hände, als er sie vor der Brust zusammenlegte wie zu einem Gruß. Ich fragte mich, wie die drei durch den Kordon der Höflinge gekommen sein mochten, die uns umgaben. Den Gesichtern der Höflinge nach zu schließen, die sich dem Mann bei seinen Worten zuwandten, fragten diese sich das Gleiche. Ich drehte mich zu Janas Zofe um, um sie zur Herausgabe einiger kleiner Münzen zu bewegen. Kardinal Riario hatte dieselbe Idee und schnippte mit den Fingern. Der Mann mit der Lederkappe winkte hastig ab.
    »Aber nein, meine Herren, nein.« Ein Stoß der älteren Frau ließ ihn verstummen und in komischer Resignation mit den Schultern zucken. Während sich zwei weibliche Hände nach den Münzen ausstreckten, schaffte er es, ein verlegenes Gesicht aufzusetzen. »Ich bin Lapo Rucellai; leider nicht verwandt mit Bernardo Rucellai, dem großen Gönner unserer schönen Stadt. Dies sind meine Frau und meine Tochter. Wir danken für das Almosen, aber es wäre nicht nötig gewesen.«
    »Wenn du das glaubst, hast du noch nie in einen Spiegel gesehen«, stellte Stepan Tredittore in der ihm üblichen höflichen Art fest.
    »Weshalb habt Ihr mich angesprochen, Lapo Rucellai?«, fragte ich.
    »Als ich hörte, dass Ihr und Seine Exzellenz miteinander Latein spracht, dachte ich, vielleicht könnte ich Euch von Nutzen sein.«
    »Auf welche Weise?«
    »Ich bin Notar«, sagte Lapo Rucellai nicht ohne Stolz und legte die Hand auf die Brust.
    Tredittores Gesicht verzog sich verächtlich. »Der einzige ehrliche oder der übliche Betrüger?«, stieß er hervor. Lapo Rucellai machte eine beleidigte Miene. »Ich bin kein San Ciappelletto«, erklärte er.
    »Wer soll das sein?«, fragte ich.
    »Die Figur eines unserer berühmten Dichter, Ser Boccaccio«, eröffnete Rucellai und verriet dabei größere Belesenheit, als ich ihm zugetraut hätte. »Messer Ciappelleto verspürte große Scham über jeden seiner Verträge, der nicht rechtswidrig war, und nahm sich mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der ein anderer gibt. Auf dem Totenbett überzeugte er einen naiven Klosterbruder, dass er nach seinem Ableben als Heiliger zu betrachten sei.«
    »Ein Schlitzohr«, lachte Tredittore und vollführte die Geste des Ohraufschlitzens, das als Strafe Dieben und Betrügern zuteil wurde.
    »Zu jenen gehöre ich nicht«, erklärte Lapo Rucellai mit Würde.
    »Nun, leider brauchen wir die Dienste eines Notars nicht, gleich welcher Tradition.«
    »Sehr bedauerlich. Aber seht, ich will Euch nicht länger zur Last fallen. Daran könnt Ihr erkennen, dass ich ein aufrechter Mann bin. Solltet Ihr es Euch noch anders überlegen, dann fragt im Corso dei Tintori nach dem Spezialisten Lapo Rucellai. Das ist das Tuchfärberviertel. Man wird Euch zu mir weisen.«
    Er verbeugte sich und machte Anstalten, sich aus dem Gedränge der Pferdeleiber wieder herauszuwühlen, seine beiden Begleiterinnen im Schlepptau.
    »Worin seid Ihr denn Spezialist?«, rief ich ihm hinterher.
    »Schriften«, sagte er. »Bringt mir ein Dokument und eine Fälschung davon, und ich sage Euch auf

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