Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici
Via Calimala wieder links zur Misericordia…«
Es war ebenso ermüdend, ihm bei den Ortsangaben zuzuhören, wie seiner Ängstlichkeit gegenüber allem zu lauschen, was nicht exakt in irgendein Schema passte. Der Rest seiner Rede floss an mir vorüber, während wir durch die engen Gassen ritten. Die Via de Pancrazio war gepflastert und voller Leute: eine breite Straße, die sich nach links und rechts zwischen zwei Plätzen vollkommen gerade erstreckte. Die meisten Menschen in ihr bewegten sich mit gemessenen Schritten auf den größeren der beiden Plätze zu. Als plötzlich das dünne Läuten einer Glocke ertönte, wurde mir klar, dass dort eine Kirche lag und die Leute zur Abendandacht wollten.
»Dort ist die Kirche und der Platz der Heiligen Dreifaltigkeit«, erklärte Johann Kleinschmidt. »Die Kirche ist besonders schön; die Familien Strozzi, Rucellai, Sassetti und Davanzati sind dafür bekannt, reichlich für sie zu spenden. Dahinter ist die Brücke der Heiligen Dreifaltigkeit, die schon einmal vom Hochwasser weggerissen wurde. Danach dauerte es mehr als zehn Jahre, bis sie wieder aufgebaut war…«
Er hatte über nahezu jedes Haus, jede Gassenkreuzung, jeden Platz und jede Kirche etwas zu sagen, was an mir vorbeidröhnte. Es war spät am Nachmittag, das Sonnenlicht fiel schräg und warm in die Gassen, und der lohfarbene Stein der meisten Bauwerke glühte auf, als wolle er mit dem Sonnenlicht wetteifern. Die Bauten erhoben sich in einen tiefblauen Himmel hinein und schwebten förmlich auf den ebenso blauen Schattenpolstern, die um ihre Grundfesten lagen. Selbst die bunte Bemalung der Häuser meiner Heimatstadt Landshut konnte mit diesem Farbkontrast nicht mithalten. In meiner Erinnerung waren die Farben blasser, der Himmel milchiger und die Schatten – nur Schatten, weiter nichts. Kleinschmidts aufgeregter Erzählfluss jedoch verleidete mir alles. Letztlich war er zwar nicht schuld daran, dass ich einen Groll mit mir herumtrug, der mich die Schönheit kaum sehen ließ, aber ganz sicher war er nicht geeignet, mich meinen Ärger vergessen zu lassen. Ich wusste, ich hätte schon allein aus dem Grund besser auf seine Beschreibungen Acht geben sollen, um mich später allein in Florenz zurechtzufinden, aber ich verschloss meine Ohren und widmete mich meinen eigenen Gedanken. Die Prachtbauten waren lediglich Häuser, in denen Menschen wohnten oder Behörden oder die Geistlichkeit oder in denen Gott dem Herrn oder dem Gott Mammon gedient wurde, nichts weiter. Ich dachte: Hör auf, Peter, heute bist du nicht ganz normal, doch der Zynismus ließ sich nicht vertreiben. Ich war geneigt, doch Johann Kleinschmidt die Schuld daran zu geben, dessen erschöpfende Auskünfte den Trojanischen Krieg hätten verhindern können, wenn er dem Paris auf diese Art und Weise die Vorzüge der schönen Helena geschildert hätte. Paris hätte Helena nicht entführt, sondern schreiend das Weite gesucht. Der wirkliche Grund für meine Stimmung war jedoch, dass Jana mir nach dem Debakel in Venedig offenbar nicht einmal mehr so weit über den Weg traute, um mich in ihre Pläne hier in Florenz einzuweihen. Ich bemühte mich, auf andere Gedanken zu kommen, und stand mehrmals kurz davor, Kleinschmidt zu fragen, was es Neues über meine Tochter Maria zu berichten gab; aber ich empfand ihn mit zunehmender Zeit als so lästig, dass ich es nicht über mich brachte, ein persönliches Thema anzuschneiden. Er selbst schien nicht in der Lage zu sein, meine finstere Laune zu erkennen oder außer weit ausholenden Gemeinplätzen etwas von sich zu geben, was Substanz hatte. Als wir endlich vor einem rötlich-grauen Eckgebäude mit zwei Obergeschossen Halt machten und ich Janas Zofe ansichtig wurde, die aus einem der oberen Fenster ein Laken ausschüttelte, war ich erleichtert.
»Wo ist Jana? Oben bei dir?«, rief ich zu ihr hinauf. Sie nickte.
Ich nahm Kleinschmidt mit hinein, was ihm peinlich zu sein schien. Ein von Säulen umrahmter Innenhof mit einem Springbrunnen öffnete sich hinter dem engen Durchgang von der Straße; Portici-Bögen an allen vier Seiten, zwei Loggien im ersten und zweiten Stockwerk. Noch peinlicher war es Kleinschmidt, dass ich ihn Jana vorstellte. Er stotterte und redete noch abgehackter als sonst. Ich war froh, dass Stepan Tredittore nicht in der Nähe war – neben meinem Schwiegersohn hätte er geradezu eine gute Figur gemacht. Sein Angebot, Jana mit seinen Geschäftsbeziehungen behilflich zu sein, wiederholte er nicht, und
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