Duell der Leidenschaft
er nicht ignorieren konnte. Es war ihm so erschienen, als würde er sie damit nur beschützen, da ihr Verlobter vermutlich die von ihr so gefürchtete Heirat absagen würde.
Nun verstand er, dass diese Gründe nur Ausflüchte gewesen waren, zudem noch sehr schwache. Er hatte Sonia auf eine höchst verzweifelte Art gewollt, und er war sich sicher gewesen, dass es seine einzige Gelegenheit sein würde.
Und nun war es vorbei. Aus und vorbei. Er konnte nur noch beten, dass er ihr nicht schlimmer wehgetan hatte, als Rouillard es jemals tun würde.
Er öffnete die Augen und blinzelte zur gegenüberliegenden Wand mit der Tür genau in der Mitte. Wenn sie jetzt bei Rouillard war, dann hatte er den Auftrag erfüllt, für den er bezahlt worden war. Er war ihrem Vater gegenüber zu nichts mehr verpflichtet. Wenn sie jetzt noch gehen wollte, konnte er sie mitnehmen. Sie verdiente es, vor diese Wahl gestellt zu werden.
Doch zunächst einmal musste er sie finden. Was er natürlich erst in Angriff nehmen konnte, wenn er sich aus dieser misslichen Lage befreit hatte.
Er atmete tief durch, was er anscheinend schon lange nicht mehr getan hatte, dann sah er sich um. Er befand sich in einem kleinen Raum mit vier Wänden, drei davon mit Gips verputzt, die vierte aus nacktem Stein. In diese Wand hatte man einen Fensterschlitz eingelassen, der deutlich höher war, als ein Mann greifen konnte. Die einzigen Gegenstände im Raum waren das Feldbett und ein Eimer, die auf einem Steinboden standen. Die Tür war aus massivem Holz, wies aber kein Schloss auf, was vermuten ließ, dass von außen ein Riegel und ein Vorhängeschloss festgemacht waren.
Flecken auf dem Boden und ein schwacher Geruch nach Weinessig und Mais brachten ihn zu der Vermutung, dass dies einmal ein Lagerraum oder vielleicht ein Weinkeller gewesen war. Dass es sich um einen Teil eines Hauses oder einer Scheune handelte, war offensichtlich. In einiger Entfernung hörte er Tauben gurren und Kinder spielen, von irgendwoher drangen Bruchstücke einer Unterhaltung an sein Ohr.
Diese Erkenntnisse halfen ihm nicht weiter. Er war sich nicht sicher, ob er sich schon auf den Beinen halten konnte, und die Kette gab seinem Reißen und Zerren nicht nach.
Er schloss die Augen und lauschte weiter. In seinem Kopf drehte sich alles, und er döste vor sich hin. Irgendwann musste er eingeschlafen sein, oder aber er hatte im Sitzen das Bewusstsein verloren. Jedenfalls ruhte sein Kinn auf der Brust, als er wieder zu sich kam und die Tür geöffnet wurde.
Mit dem Mann, der die Zelle betrat, schien es, dem äußeren Eindruck nach zu urteilen, abwärtszugehen. Er hatte schütteres, sandfarbenes Haar, sein Gesicht glänzte rötlich, und seine Nase war von deutlich erkennbaren lilafarbenen Adern durchzogen. Zudem hatte er ein Doppelkinn. Der Schneider hatte sich alle Mühe gegeben, den dicken Bauch des Mannes zu kaschieren, doch nichts konnte darüber hinwegtäuschen, wie schlecht seine Hose saß. Das Blau in sei-nen Augen wirkte verblasst, was ihnen viel von ihrer Verschlagenheit nahm. Seine Blicke zuckten mal hierhin, mal dorthin, als rechne er in jeder Richtung mit einem Hinterhalt.
Er trug weder Hut noch Handschuhe, was Kerr auf den Gedanken brachte, der Lagerraum könnte sich in dem Gebäude befinden, das diesem Mann gehörte. War er in Vera Cruz?
War das der Mann, der veranlasst hatte, dass Sonia zu ihm geschickt wurde, als handele es sich lediglich um ein Paket Leinenstoff oder ein Glas mit Pomade? War das der Mann, der beabsichtigte, für den Rest seines Lebens jede Nacht das Bett mit Sonia zu teilen, der von ihr Kinder bekommen und mit ihr alt werden würde?
»Rouillard, nehme ich an.«
Kerr gab sich keine Mühe, mit seiner Verachtung hinter dem Berg zurückzuhalten. Indem er sich an der Bettkante festhielt, zog er sich hoch und stand dann langsam auf. Ihm wurde dabei schwindelig, und er hatte das Gefühl, sich übergeben zu müssen. Sein Besucher schien geneigt zu sein, bedrohlich vor ihm aufzuragen, und es ging Kerr gegen den Strich, ihm dieses Vergnügen zu gönnen.
»Zu Ihren Diensten«, sagte Rouillard abfällig.
Er hatte die Tür hinter sich offen stehen lassen, und nun kam ein anderer Mann in die Zelle. Es war Tremont, der nun förmlicher gekleidet war als bei ihrer letzten Begegnung. Kerr ballte die Fäuste und tat einen kleinen Schritt nach vorn. Die Fessel rieb über sein Fußgelenk, etwas Verputz löste sich von der Wand, wo die Kette festgemacht war, aber sie hinderte
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