Duell der Magier 02 - Die Bahn der magischen Monde
glühen noch? Reich mir doch die zwei Stückchen herüber, ich möchte noch nicht hineingehen. Es ist lange her, seit ich dich für mich alleine hatte.« Tiefes, herzliches Lachen von beiden, das sich ineinandermischte. Der über den Nachtgeräuschen gerade noch wahrnehmbare Klang von Flüssigkeit, die in Becher gegossen wurde, das leise Knistern vom Feuer. Tuli sah zwischen der Zeltwand und dem Ende des Windsegels hindurch, wie Annic den Chatopf wieder auf die Eisenplatte am Rande des Feuers stellte und Tesc auf dem Baumstamm saß, den sie als einfache Bank benutzten. Annic machte es sich auf dem Boden zu seinen Füßen gemütlich und rückte sich zurecht, bis ihr Kopf auf seinem Schenkel und ihr Rücken teilweise am Baum, teilweise an seinem Bein ruhte. Er nippte an dem Becher, den er in seiner Linken hielt und streichelte mit der anderen ihr Haar und ihre Wange. Tuli empfand ein merkwürdiges Gefühl in der Magengrube und wich zurück, doch nachdem das Schweigen mehrere Minuten angedauert hatte, führte sie ihr Auge wieder an den Schlitz. Sie wußte nicht so recht, was sie sehen würde, auch nicht, was sie sehen wollte, doch sie kam nicht gegen ihre quälende Neugier an.
Sie saßen einfach da und tranken ihren Cha. Sie schienen sich wohl zu fühlen und auch zufrieden damit zu sein, einfach beieinanderzusitzen. Sie sahen glücklich aus, und für einen ganz kurzen Augenblick war sie fast krank vor Neid.
Tesc seufzte und stellte seinen Becher auf den Baumstamm neben sich. »Die Häusler werden unruhig. Sie möchten im Rat vertreten sein.«
»Mmh, das heißt, Ander Tallin hat wieder ganz uneingeschränkt zugeschlagen.«
Tesc lachte. »Du durchschaust aber auch alles. Er möchte alle Lebensmittel und Werkzeuge einsammeln, in einen Schuppen schließen und täglich austeilen lassen – wahrscheinlich will er das selbst übernehmen. Er sagt, die Häusler würden entschieden zu dreist.« Tesc kicherte. »Wahrscheinlich hat er wieder versucht, jemanden herumzukommandieren und ist dabei an den Falschen geraten.«
Tuli runzelte die Stirn. Sie hatte niemals groß auf etwas anderes geachtet als die Art, wie die Menschen sich ihr gegenüber verhielten. Welche Gefühle sie sich gegenseitig entgegenbrachten und was es bedeuten mochte, hier oben zu leben, hatte keine Rolle gespielt – nun eröffnete es vage, aber faszinierende Möglichkeiten, die sie von dem ablenkten, was ihre Eltern sagten. Sie rieb sich über die Falten auf ihrer Stirn, dachte an die anderen Taroms und ihre Familien und stellte erstaunt fest, daß sie nur als verschwommene Umrisse ohne Namen und Gesichter vor ihrem geistigen Auge standen.
Annic stand auf, füllte ihren Becher und trug die Kanne mit zurück. »Ich habe den Eindruck, daß du besser dran bist, wenn dir ein paar anständige Häusler Rückendeckung geben. Möchtest du noch Cha?«
»Lieber nicht, sonst kann ich nicht einschlafen.« Plötzlich grinste er Annic an. »Gieß bitte ein, mir ist gerade eine bessere Art eingefallen, mich in den Schlaf zu wiegen.«
Annic kicherte. »Die Verführungskraft der Frau.«
»Immer.« Er griff nach ihrer Hand. Sie standen mehrere Minuten lang so da und lächelten einander auf eine Weise an, die den Rest der Welt ausschloß. Schließlich machte Annic sich mit leisem Lachen los, goß Cha in seinen Becher, reichte ihn ihm und lehnte sich wieder an ihn.
»Das Problem liegt woanders«, sagte er. »Was wir hier oben aufbauen, setzt Maßstäbe für viele Jahre, auch wenn das alles vorüber ist. Und es ist schwer abzusehen, wohin das alles führt.« »Ich kann dir nur sagen, daß ich nirgendwo leben will, wo Pleora Tallin mit herumkommandieren kann. Was für eine Chinj! Sie meint, Anders müßte Vorsitzender werden.«
»Er selbst will das auch.« Er leerte seine Tasse. »Vergiß sie. Laß uns hineingehen.«
Tuli stand hastig auf und lief am Zelt entlang. Als Annic und Tesc hereinkamen, lag sie zusammengerollt in ihren Decken und hatte sich den dicken Wollstoff fest über die Ohren gezogen.
Tuli schaute zurück. Ihr Vater hatte sie bis zur Mauer begleitet. Nun sah er ihnen nach, wie sie davonritten, und stand als schwarzer Fleck in der Öffnung, wo später das Tor erbaut werden sollte. Sie fühlte eine plötzliche Woge der Zuneigung, in die sich Trauer mischte, eine Vorahnung, daß es lange Zeit dauern würde, bis sie ihren Vater wiedersähe, wenn überhaupt. Nachdem sie zurückgeschaut hatte, bis der zerklüftete Rand der unfertigen Mauer nicht mehr zu
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