Duell: Island Krimi (German Edition)
Guðný, die an ihrem Aperitif nippte.
»Ich habe ihn nur gesehen«, antwortete Albert. »Ich habe nicht mit ihm gesprochen oder so etwas. Er wirkt irgendwie hektisch, eigentlich fast schon gehetzt. Aber er ist sehr umgänglich zu den Polizisten, die für ihn abgestellt sind. Wie beispielsweise Sæmundur.«
»Sæmi Rock? Ist der für Fischer abgestellt?«
»Ja, und inzwischen so etwas wie sein privater Leibwächter.«
»Und ist er jetzt in ein Hotel umgezogen?«
»Ja, jetzt hat er die Suite im Hotel Loftleiðir. Es hat ihm einfach nicht gepasst, allein in diesem Lotteriebungalow untergebracht zu sein. Nachts schläft er so gut wie gar nicht, und er isst nichts außer Quark mit Sahne. Du darfst aber mit niemandem darüber sprechen, das ist alles streng geheim.«
»Ich verstehe ihn gut«, sagte Guðný, die zu den Menschen gehörte, die auf das Reykjavíker Westend schworen. »Wer würde schon in Fossvogur wohnen wollen?«
Unter den sanften Klängen des Pianos stießen sie miteinander an. Albert sah, dass sich jemand an einem der benachbarten Tische ebenfalls das Chicken in a Basket bestellt hatte. Zu diesem Gericht wurden eine Stoffserviette, eine kleine Schale mit Wasser und eine Zitronenscheibe gereicht, da einige Gäste es vorzogen, das Hähnchen mit den Fingern zu essen. Albert hatte aus den Augenwinkeln beobachtet, dass der Gast hin und wieder unruhig zu der Wasserschale hinüberschielte, weil er sich nicht sicher war, wozu sie gut sein sollte.
»Und wie geht es Marian?«, fragte Guðný.
»Marian?«, sagte Albert. »Soweit ich weiß, ganz gut.«
»Ich muss immer daran denken, was du mir über die Tuberkulose erzählt hast. Es muss sehr schwierig gewesen sein, mit dieser Krankheit zu leben, vor allem als Kind.«
»Irgendwann werde ich Marian danach fragen. Die Kollegen haben mir davon erzählt, als ich anfing.«
»Vielleicht solltest du das lieber lassen«, entgegnete Guðný. »Für viele Betroffene ist das bestimmt ein heikles Thema.«
»Ja, vielleicht.«
»Heutzutage gibt es so gut wie keine Tuberkulose mehr.«
»Nein, zumindest nicht in Island.«
»Deine älteste Tochter muss sich gerade der ersten Tuberkulose-Vorsorge-Untersuchung in der Schule unterziehen. Dazu werden ihr für einen Hauttest irgendwelche Pflaster auf die Brust geklebt.«
Das Essen wurde serviert. Das Chicken in a Basket mit der Wasserschale, und das Steak mit der Béarnaise. Sie genossen ihr Essen bei den angenehmen Tönen, die Carl Billich dem Klavier entlockte, und unterhielten sich dabei über alles Mögliche, über ihre drei Töchter und deren Eigenarten, über Freunde und Familienangehörige und außerdem über die ein oder andere Klatschgeschichte, die in Reykjavík die Runde machte. Plötzlich fingen die Gäste an zu klatschen, und Guðný und Albert sahen, dass Haukur Morthens neben dem Flügel stand. Er bedankte sich mit einer Verbeugung und stellte den Pianisten vor.
»Mein Gott, was für ein Gentleman«, flüsterte Guðný, die den Sänger bewundernd ansah.
Die Stimme von Haukur füllte den Raum. Als Erstes sang er Mambo Italiano , und in eben diesem Augenblick betraten vier Männer im Gefolge des Oberkellners das Restaurant.
»Ist das nicht Spasski?«, flüsterte Guðný aufgeregt und griff nach Alberts Hand.
Ein Raunen ging durch den Raum, als die vier Männer in einer der Nischen Platz nahmen. Spasski nickte höflich in die Runde. Weder Albert noch Guðný kannten die Männer, die ihn begleiteten, drei in dunkle Anzüge gekleidete Herren mit ernsten Mienen. Alle schienen Russen zu sein.
»Vielleicht seine Sekundanten, seine Berater, ich hab keine Ahnung«, sagte Albert, als Guðný ihn nach den Männern fragte.
»Oder vielleicht seine Leibwächter?«, fragte sie leise. Sie bemühte sich, nicht ständig in die Richtung des Schachweltmeisters zu starren.
»Möglich.«
»Ich finde das irgendwie albern, wozu brauchen die denn hier in Island Leibwächter!«
»Du solltest mal sehen, was um sie herum los ist«, sagte Albert. »Man könnte meinen, die Beatles würden wieder gemeinsam auftreten.«
»Ich finde das alles unheimlich spannend«, sagte Guðný. »Alle reden über Schach und über das Match des Jahrhunderts – und über die Russen und die Amerikaner und den Kalten Krieg. Du hast recht, man könnte fast glauben, dass es sich um irgendwelche Pop-Idole handelt. Ehrlich. Meine Freundin Jóka hat Bobby Fischer irgendwo beim Essen gesehen, ich weiß gar nicht mehr wo, aber sie klang, als wäre dort
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