Duell: Island Krimi (German Edition)
nächtlichen Aktivitäten ließ sich nicht einfach ignorieren. Albert saß an seinem Schreibtisch. Es hatte ihn nicht sonderlich beeindruckt, dass Marian die zerknüllte Zigarettenschachtel in der Nähe des Kinos gefunden hatte.
»Willst du auf so etwas wie eine sowjetische Verschwörung hinaus?«, fragte er.
»Ich weiß nichts von einer Verschwörung«, sagte Marian. »Ich rede von Zigaretten.«
Die Schachtel war in der Abteilung für Kriminaltechnik auf Fingerabdrücke untersucht worden. Die Sachverständigen würden sie mit denen vergleichen, die man im Kinosaal gefunden hatte. Ein Team von Technikern suchte seit dem frühen Morgen das Gelände nach Zigarettenstummeln ab, bislang ohne Erfolg.
»Du bist also der Meinung, dass irgendwelche Ausländer im Kino waren?«, fragte Albert.
»Angesichts des Ausnahmezustands in dieser Stadt gibt es jedenfalls keinen Grund, das auszuschließen«, erklärte Marian mit matter Stimme. »Man könnte ja glauben, der Weltuntergang stünde bevor.«
»Und jetzt hast du diese russischen Zigaretten gefunden.«
»Ich habe die Schachtel gefunden«, sagte Marian mit halb geschlossenen Augen und ließ sich durch den negativen Unterton in Alberts Antwort nicht irritieren. »Für mich kam nichts anderes in Frage, als sie untersuchen zu lassen.«
»Aber warum sollte dieser Junge das Opfer von Russen geworden sein?«, fragte Albert. »Wieso sollte er was mit denen zu tun gehabt haben?«
»Er hatte natürlich nichts mit ihnen zu tun«, entgegnete Marian. »Und ich habe nicht die geringste Ahnung, ob dieser Mord in irgendeiner Verbindung zur Weltmeisterschaft oder zu all diesen Ausländern in Reykjavík steht. Wirklich nicht. Ich weiß nur eines, er wurde umgebracht.«
Albert entgegnete nichts.
»Hat Spasski im Naust gegessen?«, fragte Marian.
»Soviel ich sehen konnte, ist er ein äußerst sympathischer Mensch«, antwortete Albert. »Er hat Autogramme gegeben und allen freundlich zugelächelt.«
»Du hast jetzt also sowohl Bobby als auch Spasski getroffen?«
»Getroffen ist wohl nicht ganz das richtige Wort«, sagte Albert. »Aber ich war zumindest in ihrer Nähe.«
Marian schloss die Augen wieder.
»Nehmen wir mal an, dass jemand an der Ecke Hverfisgata und Barónsstígur gestanden und von dort aus beobachtet hat, wer ins Kino ging und wer herauskam. Er hat sich die letzte Zigarette aus einer Schachtel angezündet und sie anschließend zusammengeknüllt, dann wirft er sie am Barónsstígur in die Gosse. Nehmen wir an, dass er sich mit jemandem treffen wollte, der in diesem Kino war. Aber wieso ausgerechnet im Hafnarbíó? Warum nicht das Universitätskino? Oder das Stjörnubíó? Wieso nicht außerhalb der Stadt bei den Pseudokratern am Rauðavatn oder am Hafravatn? Vielleicht hat er sich einfach nur nach dem Programm gerichtet. Vielleicht hatte es etwas mit diesem Western zu tun. The Stalking Moon . Er hat alle Filme mit Gregory Peck gesehen. Und vermutlich kannte er sich auch sehr gut in Reykjavík aus, wusste beispielsweise, dass Hafnarbíó ein lausiges Kino ist, eine Baracke aus den Kriegszeiten, die sich vielleicht gerade deswegen für ein solches Treffen eignete. Er wollte zwar unter Menschen sein, sozusagen an einem öffentlichen Ort, aber er durfte auf keinen Fall auffallen. Niemand durfte ihn bemerken.«
»Vielleicht war er darauf spezialisiert, sich in Kinos zu geheimen Treffen zu verabreden«, sagte Albert.
»Denkbar. Einiges weist darauf hin, dass es ein Spezialist war, obwohl ich mir nicht sicher bin, aus welchem Bereich. Nur so viel steht fest, was den Jungen betrifft, fackelte er nicht lange.«
»Warum nimmst du an, dass er den Treffpunkt ausgewählt hat? Könnte es nicht genauso gut der andere gewesen sein, derjenige, mit dem er sich getroffen hat?«, wandte Albert ein.
»Das wissen wir noch nicht. Auf jeden Fall hat er aber an der Ecke gestanden, sich eine Zigarette angezündet und das Kino im Auge behalten. Es ist kurz vor fünf, und einige Leute haben sich vor dem Kino eingefunden. Nicht zu viele, aber auch nicht zu wenige. Er sah seinen Mann …«
»Sie sind also nicht zusammen gekommen?«
»Meiner Meinung nach sind sie getrennt gekommen. Außerdem denke ich, dass sie sich nicht unbedingt gut gekannt haben müssen, darauf weist der Treffpunkt hin. Er hat gewartet und aus einiger Entfernung alles beobachtet, hat seinen Mann gesehen und gewusst, dass das Treffen wie vereinbart stattfinden würde.«
»Du gehst also davon aus, dass der Junge
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