Duell: Island Krimi (German Edition)
geschenkt? Wieso spielten die beiden nicht öffentlich? Wieso haben die Russen zugelassen, dass nicht auf der Bühne gespielt wurde? Warum haben sie sich nicht durchgesetzt? Haben die Russen vielleicht etwas für ihre Nachgiebigkeit bekommen?«
»Müssten an so einem Schwindel nicht Dutzende von Menschen beteiligt sein? Es ist nicht so einfach, so etwas geheim zu halten.«
Josef grinste.
»Ich behaupte gar nichts«, sagte er. »Du siehst doch, was für eine Atmosphäre rund um dieses Match herrscht. Das ist doch alles so was von verrückt, keiner blickt da noch durch. Die meiste Zeit geht es um irgendwelche Verschwörungstheorien, surrende Kameras, zu starke Scheinwerfer, giftige Gase, die aus den Sesseln aufsteigen, oder einen russischen Hypnotiseur in den ersten Reihen. Und es geht ums Abhören.«
»Ach ja?« Marian dachte immer noch über das nach, was Josef über die dritte Partie gesagt hatte.
»Du musst dich unbedingt mit diesem Viðar Eyjólfsson unterhalten«, sagte Josef. »Er arbeitet beim Reykjavíker Elektrizitätswerk. Außerdem war er einer der Revisoren in der alten Sozialistischen Partei. Wenn du mit ihm sprichst, achte darauf, dass er keinen Verdacht schöpft, abgehört zu werden. Es wäre natürlich am besten, wenn er dir von sich aus sagen würde, wer ihn angerufen hat.«
»Ich weiß«, sagte Marian.
»Und etwas anderes solltest du auch noch wissen, ich habe es gestern erfahren. Es war hochinteressant, was du mir über diese Verbindung zum Hotel Loftleiðir erzählt hast«, sagte Josef. »Die Leute, die sich mit mir in Verbindung gesetzt haben, sind davon überzeugt, dass die Russen ihre Abhörgeräte auch auf das Hotel Loftleiðir richten.«
»Auf die Suite?«
»Sie verfügen über die technischen Voraussetzungen. Es ist nur die Frage, ob sie nah genug herankommen, um etwas Wichtiges zu erfahren. Bobbys Sicherheitsleute kontrollieren seine Suite regelmäßig auf Wanzen, aber man kann natürlich auch von außerhalb abhören, wenn man die entsprechende Ausrüstung hat. Es könnte schon reichen, ein Auto an der richtigen Stelle zu parken und von dort aus zu lauschen.«
»Aber wozu? Versuchen sie, seine nächsten Züge herauszufinden? Seine Strategie?«
»Was auch immer.«
»Ich muss über das alles erst einmal nachdenken«, sagte Marian. »Wäre es möglich, dass dieser Mörder im Hafnarbíó versucht hat, in russischem Auftrag abzuhören, was in Bobby Fischers Suite gesagt wird?«
»Das weiß ich nicht«, sagte Josef. »Es ist dein Fall. Ich weiß nicht, ob man diesen Schluss ziehen kann, ich gebe dir nur weiter, was mir zu Ohren gekommen ist. Wie bereits gesagt: Was zum Teufel wissen wir darüber, was sich bei diesem Weltmeisterschaftsduell abspielt? Wir befinden uns hier auf einer sehr weit nördlich gelegenen Insel im Atlantik, und plötzlich wird sie zum Nabel der Welt.«
Der Eissturmvogel flog auf, anscheinend hatte er keine Hoffnung mehr, etwas Fressbares zu ergattern. Er glitt im Tiefflug über die Meeresoberfläche in Richtung Land. Auch der Seehund streckte in hundert Meter Entfernung seinen Kopf noch einmal aus dem Wasser und sah mit meeresfeuchten Augen zu Marian und Josef hinüber, um dann erneut zu verschwinden. Beim Abtauchen sah man das glänzende Fell auf seinem Rücken. Josef warf einen Blick auf die Armbanduhr und begann mit dem Einholen des Netzes. Marian ging ihm zur Hand, bald kamen die ersten zappelnden Seehasen zum Vorschein, die sich im Netz verfangen hatten. Marian legte das Netz zusammen, während Josef die Fische ausnahm. Der Rogen kam in einen gesonderten Behälter. Dann nahm Josef wieder Kurs auf Reykjavík, steuerte sein Boot zum Landeplatz, befestigte die Stahltrosse des Spills am Schlitten der Sliprampe und hievte das Boot an Land. Anschließend hängte er die Fische zum Trocknen auf und schützte sie mit alten Netzen vor den Vögeln. Später würde sein Bruder den Fang an die Fischhändler verkaufen. Vor allem für den Rogen bekam man einen guten Preis.
Marian beobachtete Josef, während er die Fische an den Gestellen aufhängte, und überlegte, wie lange Isländer wohl noch an halb gedörrten Seehasen Gefallen finden würden. Der Zeitgeist stand solch altertümlichen Konservierungsmethoden ziemlich kritisch gegenüber. In der heutigen Zeit wurden so viele überlieferte Traditionen über Bord geworfen und neue setzten sich durch, ob es nun Mode, Film, Essen oder das betraf, was die Leute unter Wohlstand verstanden. Und es gab mehr Luxus als je zuvor,
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