Duell: Island Krimi (German Edition)
Der wird jetzt mit dem von der Belomorkanal-Packung verglichen. Wenn sie zusammenpassen, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass Viðar in der Nähe des Kinos gewesen ist.«
»Um das Treffen zu beobachten?«
»Ja.«
»Aber was dann? Was geschah bei diesem Treffen?«
»Ich denke, da kann alles Mögliche geschehen sein«, sagte Marian. »Falls meine Informanten verlässlich sind, dann sind Viðar und der Mann im hellen Mantel ziemlich eng befreundet.«
Albert sagte eine ganze Weile gar nichts, er musste sich erst einmal diese neuen Informationen durch den Kopf gehen lassen.
»Wenn es stimmt, was mir gesagt wurde, wusste Viðar von dem Treffen im Kino, hat aber anscheinend nicht selbst daran teilgenommen«, sagte Marian.
»Wie bist du nur an diese Informationen herangekommen?«
Marian konnte Albert nicht von den Abhöraktionen erzählen. Die meisten Isländer konnten sich gar nicht vorstellen, dass Menschen aus politischen Gründen abgehört wurden, das war etwas, was für sie in die weit entfernten Welten der Supermächte gehörte. Falls durchsickern würde, dass auch in Island Menschen abgehört wurden, könnte das weitreichende politische Konsequenzen haben. Marians größte Bedenken drehten sich allerdings darum, Josefs Vertrauen zu enttäuschen.
»Es ist kompliziert, Albert. Ich kann noch nicht darüber sprechen. Glaub mir, es geschieht nicht aus böser Absicht. Bitte erzähle auch niemandem von unserem Gespräch, das muss im Augenblick unter uns bleiben. Es würde auch zu nichts führen, andere in das einzuweihen, was wir hier bereden.«
Albert sah Marian lange in die Augen.
»Wozu diese Rücksichtnahme und diese Geheimniskrämerei?«, fragte er schließlich.
»Es geht einfach im Moment nicht anders.«
»Ist das nicht gefährlich?«
»Was?«
»So heimlich vorzugehen?«
»Es geht darum, so behutsam wie möglich vorzugehen.«
»Wir könnten in eine Situation hineingeraten, die eine Nummer zu groß für uns ist«, sagte Albert. »Ich jedenfalls würde gerne wissen, auf was ich mich einlasse.«
»Einen Schritt nach dem anderen«, entgegnete Marian. »Beschaff du diese Aufnahmen. Und dann unterhalten wir beide uns mit Viktoria.«
»Ich habe diesen Piloten getroffen, mit dem sie fremdgeht«, sagte Albert.
»Ist dabei etwas herausgekommen?«
»Nein. Er war nur sehr besorgt, dass sein Freund oder seine Ehefrau davon erfahren könnten.«
* * *
Es ging bereits auf den Abend zu, als Albert und Marian vor Viktorias Haus hielten. Um fünf Uhr hatte sie Dienstschluss im Hotel Loftleiðir gehabt, war aber unter ihrem Privatanschluss nicht zu erreichen gewesen. Möglicherweise hatte sie sich hingelegt oder das Telefon ausgestellt. Vielleicht war sie aber auch mit ihrem Liebhaber zusammen, dem Piloten mit dem konzentrierten Gesichtsausdruck.
Albert hatte das Foto aus dem Volkswillen dabei, auf dem der Mann im hellen Mantel zu sehen war. Es war im technischen Labor vergrößert worden. Marian machte ihm Vorwürfe, dass er nicht den ganzen Film mitgebracht hatte. Doch Albert erwiderte nur, dass das zu viel Verdacht erweckt hätte. Das Foto, das er bekommen hatte, war sehr viel deutlicher als das Bild in der Zeitung. Jetzt sollte sich zeigen, ob Viktoria den Mann als die Person identifizieren konnte, die im Kino hinter ihr gesessen hatte.
Viktoria und ihr Pilot lebten in einem großen Bungalow im Fossvogur-Viertel, einem weiteren Neubaugebiet, das gerade erschlossen wurde. Dort befand sich auch der Lotteriegewinn, das Haus, in dem Bobby Fischer es nicht ausgehalten hatte. Die Straßen trugen Namen, die den romantischen Dichtern des neunzehnten Jahrhunderts alle Ehre gemacht hätten, Godenland, Flammenland, Quellenland. Viktorias Haus war beinahe fertiggestellt, es lag ganz unten an einem Hang, an dem sich vor allem Ärzte und Juristen ein Grundstück gesichert hatten. Der Untergrund hier war feucht, und trotz der Drainagegräben sickerte überall Wasser in die Baugruben. Auf dem Weg zu Viktorias Adresse kam man an Schuppen für die Bauarbeiter, Paletten und Stapeln mit Bauholz vorbei.
»Würdest du hier wohnen wollen?«, fragte Marian Briem.
»Ich bin ganz zufrieden mit meinem Zuhause«, sagte Albert.
»Warum so bescheiden?«, sagte Marian.
»Bin ich gar nicht.«
Albert hielt vor einem Bungalow mit Flachdach und großen Fenstern. Das Haus war zwar bereits weiß verputzt, aber rundherum herrschte noch das Chaos. Der Garten bestand nur aus groben Erdschollen, und zu der Doppelgarage führte ein Kiesweg
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