Duell: Island Krimi (German Edition)
mit großen Schlammlöchern und Pfützen. Auf dem Weg zum Eingang sprang Marian über eine hinweg, für die letzten Schritte zur Haustür waren drei Holzplanken hintereinandergelegt worden. An der Stelle, an der die Gegensprechanlage vorgesehen war, prangte nur ein Loch in der Wand. Albert klopfte an.
»Als Pilot scheint man gutes Geld zu machen«, bemerkte Marian nach einem Blick auf das Haus und das Grundstück.
»Viktoria arbeitet ja auch«, entgegnete Albert.
»Ja, das wird wahrscheinlich die Zukunft sein«, sagte Marian. »Die Eltern arbeiten beide, und die Kinder werden tagsüber betreut.«
»Ich glaube, Viktoria und ihr Mann haben keine Kinder.«
Albert hämmerte gegen die Tür, aber nichts geschah. Im Haus war nirgendwo Licht, und es rührte sich nichts.
»Anscheinend niemand zu Hause«, sagte Albert.
»Ja. Der Pilot düst wahrscheinlich irgendwo durch die Lüfte.«
»Und Viktoria trifft sich mit dem Freund.«
»Wunderbare Verhältnisse«, sagte Marian und machte kehrt. »Als Nächster ist Viðar Eyjólfsson an der Reihe. Vielleicht sollten wir beim ersten Mal nicht zu zweit auftreten, es reicht wahrscheinlich, wenn ich gehe.«
»Willst du ihm wirklich so spät noch einen Besuch abstatten?«
»Es besteht kein Grund, länger damit zu warten. Und abends ist einfach die beste Zeit.«
»Willst du nicht darauf warten, was der Vergleich der Fingerabdrücke bringt?«
»Wer weiß, wann wir das Ergebnis bekommen.«
Marian war bereits ins Auto gestiegen, als Albert Viktoria sah, die in Trainingsanzug und Turnschuhen den Spazierweg entlanggerannt kam, der zwischen den Grundstücken angelegt worden war. Sie war ziemlich außer Puste, als sie beim Auto stehen blieb.
»Wolltet … ihr … zu mir?«, schnaufte sie.
»Was machst du da eigentlich?«, fragte Marian.
»Jogging.«
»Jogging?«
Albert griff nach dem vergrößerten Foto aus der Zeitung und reichte es ihr. Auf dem Ausschnitt war nur der Mann im hellen Mantel zu sehen, ohne den Sportminister und seinen Tross.
»Ist das der Mann, den du im Hafnarbíó gesehen hast?«, fragte er.
»Einen Moment, ich muss erst wieder zu Atem kommen«, ächzte Viktoria. Sie beugte sich vor, holte tief Luft und atmete wieder aus, bis sie wieder einigermaßen normal atmen konnte. Dann griff sie nach dem Foto und sah es sich genau an. Sie antwortete, ohne zu zögern.
»Ja«, sagte sie. »Das ist er. Das ist der Mann, den ich im Kino gesehen habe.«
Einunddreißig
Nach der Operation in Kolding war Katrín viele Wochen bettlägerig. In den ersten Tagen durften sie nur die engsten Angehörigen besuchen. Marian war sehr besorgt, denn die Nachrichten über ihren Zustand waren nicht gut. Die Operation war schwieriger und gefährlicher gewesen, als die Ärzte gedacht hatten. Katrín hatte die Narkose nur schlecht verkraftet und litt unter starken Schmerzen. Eine Zeitlang war es völlig ungewiss, ob sie überleben würde. Sieben Rippen waren ihr entfernt worden.
Katríns Eltern kamen nach Kolding, quartierten sich in einem Hotel ein und wachten abwechselnd Tag und Nacht am Krankenbett der Tochter. Marian lernte sie und ihre Sorgen und Ängste ein wenig kennen. Niemand konnte sagen, ob die Infektion in dem Lungenflügel zurückgehen würde. Die Rippenresektion war eine Methode, zu der man nur griff, wenn alle anderen Versuche gescheitert waren, aber es war völlig ungewiss, ob sie Erfolg haben würde.
Die Tage vergingen in Einsamkeit und Schweigen, Marian verbrachte sie in der Liegehalle, starrte auf den Fjord und die Schiffe und verspürte nicht die geringste Lust, etwas zu unternehmen. Die Sehnsucht nach Athanasius war groß. Albträume kehrten ständig wieder, in denen der entsetzliche Anblick aus dem OP -Raum immer bizarrer und abstoßender wurde, sodass Marian sich kaum noch traute, nachts zu schlafen.
Eines Tages kam einer der Pfleger in die Liegehalle gerannt, um Marian ans Telefon zu holen. Marian wusste zuerst gar nicht, was der Mann wollte, stand aber schließlich auf und folgte ihm in das Büro der Oberschwester, die den Hörer vom Schreibtisch nahm und Marian reichte. Dann ging sie mit dem Pfleger aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter ihnen, sodass Marian allein in dem Raum zurückblieb.
»Hallo?«, sagte Marian ganz vorsichtig.
»Bist du das, Marian?«, sagte eine Stimme am anderen Ende der Leitung, in der es rauschte und knackte.
»Athanasius?«
»Wie geht es dir, Marian?«
»Ich … Bei mir ist alles in Ordnung.«
»Möchtest du nicht wieder
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