Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dünengrab

Dünengrab

Titel: Dünengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
Vom Netzwerk:
legte den Kopf ein wenig schief.
    »Du meinst es tatsächlich ernst.«
    »Ja.«
    »Berndtsen wird durchdrehen.«
    »Wenn es klappt, wird er nur etwas ausrasten. Wenn es hingegen danebengeht …«
    »Das kann richtig Ärger geben.«
    »Schätze ich auch.«
    »Ich meine nicht einfach irgendwelchen Ärger, Tjark, sondern richtig fetten, krassen Ärger, der sich gewaschen hat.«
    »Geht auf meine Kappe.«
    »Vielleicht möchte ich aber nicht, dass du noch was auf die Kappe bekommst.«
    Tjark zögerte einen Moment und dachte darüber nach, wie sie das wohl meinte und was es zu bedeuten hätte. Dann sagte er: »Eher möge ich scheitern als es niemals gewagt zu haben.«
    »Ist das Shakespeare?«
    »Nein, Stan Lee«, bemerkte Tjark. »Silver Surfer.«
    Ceylan prustete los, löste das Haargummi und schüttelte ihre Haare aus. »Du und deine Comics.«
    Dann hielt sie Tjark die Faust entgegen. Er stieß mit seiner Faust gegen ihre.
    »Nur weil du es bist, Cowboy«, sagte Ceylan.
    »Das«, antwortete Tjark, »reicht mir völlig.«

52
    Vikki hatte schließlich das Brötchen vom Boden aufgegessen und den Mann angefleht, das Messer wieder zur Seite zu legen. Er war dem nachgekommen. Dann hatte er sie wieder mit dem Kopf in das Wasserfass getaucht und dabei vergewaltigt. Dieses Mal hatte sie das Bewusstsein verloren und war erst zu sich gekommen, als der Mann längst fort war. Danach war sie eingeschlafen. Sie hatte keine Ahnung, wie viel Zeit seitdem vergangen war.
    Nun saß sie auf dem Boden, die Beine von sich gestreckt, die Hände auf den Rücken gebunden, und starrte in die Leere. Die anderen, hatte er gesagt und von einem Ort gesprochen, an dem sie waren, und dass er Vikki im Moment nicht dorthin bringen könne. Dass es nur ein Zufall sei, dass sie noch lebte. Der Mann wollte sie töten, und sie wäre nicht die Erste. Aber es gab eine Galgenfrist. So viel stand fest. Also war es an der Zeit, endlich zu handeln.
    Das Leben schoss in Vikki zurück. Mit einem Ruck setzte sie sich auf und zwängte ihren Hintern, die Beine und Füße durch das O, das ihre Arme bildeten. Sie stand auf und ging zu den Metallregalen. An einem befand sich eine scharfkantige Ecke. Vikki hob die Hände, brachte den Kabelbinder über das schartige Metall und zog die Gelenke so stark wie möglich auseinander, um Spannung auf den Kunststoff zu bringen. Sie biss die Zähne aufeinander, weil das schmale Band tief in die wunde Haut schnitt. Dann begann sie, die Hände vor- und zurückzubewegen, um die Regalkante wie ein Messer zu benutzen. Es dauerte seine Zeit. Aber dann waren ihre Arme frei. Endlich.
    Vikki ging in die Mitte des Raums zu der Campingtoilette. Oben auf dem Kubus befand sich ein Handgriff. Sie fasste danach, hob den Behälter an und ließ ihn schwingen. Sie würde einige Kraft aufwenden müssen, um dem Mann das Ding an den Schädel krachen zu lassen und ihn damit hoffentlich auszuknocken. Mit der Campingtoilette in der Hand ging Vikki zu der Holzkiste in der Ecke. Sie hatte inzwischen die Vermutung, dass die Betonwände Bomben standhalten sollten und die rostige Metalltür Splittern von Explosionen. Die Rohre unter der Decke dienten der Belüftung, und irgendwann waren wohl in diesem Bunker Waffen gelagert worden. Einige hatte man vielleicht vergessen, und »Pzf« mochte die Abkürzung für »Panzerfaust« sein.
    Vikki hatte sich ausgemalt, wie der Mann die Tür öffnete und sie ihn mit einer Granate pulverisierte. Ob sie selbst eine solche Explosion in einem geschlossenen Raum unbeschadet überleben würde … Vielleicht würde sie sofort zerrissen, sobald sie den Abzug betätigte – die Waffen wären alt und funktionierten womöglich nicht mehr richtig. Aber die Vorstellung, den Scheißkerl zu zerfetzen, war zu schön. Letztlich würde sie eine Panzerfaust immer noch wie einen Baseballschläger schwingen können. Vielleicht war die Kiste aber auch leer, denn: Würde der Mann so leichtsinnig sein, Vikki mit Panzerfäusten allein zu lassen?
    Die chemische Keule, dachte Vikki, kniete sich vor die Kiste und hob das Campingklo hoch über den Kopf, ein Stromschlag oder eine Panzerfaustgranate. Die Chancen waren nicht allzu schlecht. Sie wollte den Behälter gerade auf den rostigen Verschluss herabsausen lassen, als ihr eine schreckliche Vorstellung durch den Kopf schoss. Die Kunststoffbox fühlte sich zwar stabil an, aber sie könnte beim Auftreffen zerbrechen. Dann hätte sie eine Waffe weniger zur Verfügung. War es das Risiko wert?

Weitere Kostenlose Bücher