Dünengrab
überzeugt bist …«
»… wirst du sterben.«
»Dann«, sagte Vikki, sah wieder auf und blickte den Mann fest an, »werde ich mir Mühe geben, dass du unser nächstes Treffen nicht vergisst.«
Der Mann wandte sich zum Gehen. Als er die Tür hinter sich verschloss, schossen Vikki die Tränen in die Augen. In Gedanken erflehte sie von allen Dämonen der Hölle, die Pläne für das nächste Rendezvous mit ihrem Mörder zu segnen.
54
Morten Soren war kein Winkeladvokat. Das erkannte Tjark sofort an dem feinen blauen Anzug aus bestem Tuch. Es war nicht die Art von Anzug, die sich jemand kaufte, um damit Eindruck zu schinden. Es war die Art von Anzug, die zum Standard in Geschäftsleitungen großer Konzerne gehörte, und dort kam man nicht hin, wenn man ein Idiot war.
Dass Soren in der Werlesieler Polizeiinspektion persönlich auflief, war überraschend und vorhersehbar zugleich. Vorhersehbar war, dass Mommsen und Harm durch einen Anwalt ihre Teilnahme an der Vernehmung absagen ließen. Überraschend war, dass Morten Soren nicht einfach einen Brief mit den Personalien seiner Mandanten und dem Vermerk geschickt hatte, dass es nichts weiter zu sagen gab. Vielleicht, dachte Tjark, wollte Soren die Lage checken oder mit dem Säbel rasseln. Tatsächlich ging es um etwas anderes.
»Ich wollte Ihnen nur mal persönlich die Hand schütteln«, sagte Soren. Dann legte der Anwalt ein Exemplar von »Im Abgrund« auf den Tisch. »Meine Frau hat das Buch verschlungen – würden Sie es signieren?«
»Natürlich«, sagte Tjark. Fred drehte sich mit einem Grinsen weg.
»Es ist bedauerlich«, sagte Tjark, während er seinen Namen eintrug, »dass Ihre Mandanten die Aussage verweigern möchten, und wirft kein gutes Licht auf sie. Ich muss Ihnen nicht sagen, dass das Herrn Mommsen und Herrn Harm als tatverdächtig dastehen lässt.«
»Tatverdächtig – wessen?«
Tjark schwieg. Soren lächelte schwach. »Wir sind gerne bereit, Ihnen weiterzuhelfen, Herr Wolf. Ich fürchte jedoch, dass das nur sehr begrenzt möglich sein wird.«
Tjark klickte mit dem Kugelschreiber und musterte Soren. Der Anwalt blickte ausdruckslos und mit der Gelassenheit des Kapitäns eines Ozeanriesen zurück, auf dessen Bug einige Wellen zuplätschern. Tjark schlug das Buch zu und gab es Soren, der sich artig bedankte.
Tjark fragte: »Worum ging es bei der Zusammenkunft an dem Abend, an dem Vikki Rickmers verschwand?«
Soren legte die Handkante auf die Mitte des kleinen Tisches und markierte damit eine Mauer. »Die Grenze wäre damit bereits überschritten.«
Tjark schob die Kulispitze zwischen die Deckel einer Kladde und öffnete sie. Darin befanden sich einige Ausdrucke von Passfotos, die er sich in der Hauptstelle besorgt hatte. »Gut, dann müssen wir einen Gang höher schalten.«
Sorens Mundwinkel zuckten. »Herr Wolf«, sagte er in einem mitleidigen Tonfall. »Wir sind doch beide keine Anfänger.«
Tjark tippte mit dem Kuli auf die Bilder. »Diese Frauen sind tot, und Vikki Rickmers ist nach wie vor verschwunden. Ich kann es noch nicht beweisen, aber Vikkis Verschwinden hat etwas mit den Festen in der Brauerei zu tun, und ich werde überprüfen, ob das auch bei den anderen Opfern der Fall ist.«
»Sie machen Ihre Arbeit«, sagte Soren, nahm das Buch und stand auf, »ich mache meine.«
»Ich könnte kotzen.«
»Bitte?«
»Ihre Überheblichkeit kotzt mich an.«
Aus den Augenwinkeln registrierte Tjark eine Bewegung von Fred, der eine beschwichtigende Geste machte.
Soren schien einen Moment lang nicht zu wissen, was er antworten sollte. Er ruckte an seiner Krawatte. »Das war sehr unprofessionell. Ich bin enttäuscht.«
Tjark wurde schwindelig. Seine Fäuste ballten sich. Er hatte Lust, sehr große Lust … Aber Soren stand bereits in der Tür und sagte: »Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag. Und was ich gerade gehört habe, vergesse ich am besten.« Dann ging er.
»Das war großer Käse.« Fred schlug sich mit der Hand vor die Stirn, dass es laut patschte. »Wie kann man so dämlich sein und den Anwalt anmachen … Ständig diese Scheiße mit dir in letzter Zeit.«
»Ich kann diesen Mist nicht mehr hören.«
»Das ist dein Job, und das ist nicht neu.«
»Das macht es nicht besser.«
»Was ist eigentlich los mit dir? Wenn wir die Sache durchziehen wollen, die du vorgeschlagen hast, dann will ich das wissen, sonst bin ich draußen. Ich gehe wieder in den Innendienst, kümmere mich um meine Frau und mein Haus und habe meine Ruhe.
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