Dünengrab
in einer Nische im Halbdunkel. Femke rückte näher an den Laptop heran, bis ihre Nase ihn fast berührte. Dann vergrößerte sie den Bildausschnitt bis ins Maximum, zentrierte ihn, rief die Helligkeitssteuerung auf und stellte die Ansicht neu ein, bevor sie wieder auf »Play« drückte. Das Bild war jetzt sehr verpixelt und rauschte. Es war aber ausreichend deutlich, um zu verstehen, dass zwei Personen sich heftig befummelten – und zwar Vikki und Harm.
»Puh.« Femke stoppte den Film und verzog das Gesicht. Sie wischte sich eine Gänsehaut von den Armen.
»Moin«, sagte Torsten und klopfte an der Tür, obwohl er bereits das Büro betreten hatte. Femke klappte sofort den Laptop zu. Torsten blickte interessiert auf den Computer. Dann sah er Femke an und zog sich dabei den Gürtel hoch, als sei er John Wayne, der kurz vorm Losreiten noch mal schnell alles richten wollte. »Ich wollte nicht lang stören. Aber wie machen wir denn das eigentlich mit den vielen Überstunden?«
Femke rieb sich übers Gesicht. »Schreib sie einfach auf. Ich zeichne sie ab.«
Er nickte, wirkte aber nicht sehr zufrieden. »Sind ja ziemlich viele schon angefallen, und es werden sicher nicht weniger.«
»Ich weiß, aber wir befinden uns in einer Ausnahmesituation.«
Jetzt lehnte er sich lässig an den Türrahmen. »Wir machen schon eine Menge Arbeit, die eigentlich der Job von den Kollegen in Zivil da drüben ist.« Er deutete mit dem Daumen hinter sich und wollte wohl in Richtung Rathaus zeigen, wo die Soko sich eingerichtet hatte. »Ist ja nun nicht so, als ob das hier unser Freizeitspaß ist, und wir sind total unterbesetzt, während die da drüben so viel Personal haben, dass sie sich gegenseitig auf die Füße treten.«
Femke überlegte, ob sie jetzt ausflippen sollte oder es besser bleiben ließ. Sie ließ es bleiben, denn bei Torsten führte das zu nichts. Er war ein friesischer Sturkopf.
»Ich glaube nicht«, sagte sie, »dass die Kollegen von der Kripo sich auf den Füßen herumstehen. Es sind drei Leichen gefunden worden, falls dir das entgangen sein sollte.«
Torsten ließ das unkommentiert. »Verhaften wir Fokko heute noch?«
Femke riss die Augen auf. »Warum das denn?«
»Na ja, was man so hört …«
»Ich verstehe nicht.«
»Die Leute sind ziemlich auf dem Baum.«
»Dann tu etwas dafür, dass sie wieder runterkommen.«
»Es weiß ja inzwischen jeder, dass die Spurensicherung bei Fokko war und er außerdem Vikki …«
»Ja, weil du deine Klappe nicht halten kannst und es überall rumerzählst.« Nun war es doch an der Zeit, mal auszuflippen. Femke sprang vom Schreibtischstuhl auf. »Das sind Dienstgeheimnisse, Torsten! Und du siehst ja, wozu das führt – zu Vorverurteilungen! Geht’s denn eigentlich noch, Menschenskind?«
Torsten machte eine abwehrende Geste. »Ich habe überhaupt nichts erzählt. Ich habe mich nur mal hier und da erkundigt.«
»Was nicht dein Job ist!«
»Nö, ich sag ja, dass wir ständig die Arbeit von diesen Kripoleuten machen müssen …«
»Abgesehen davon gibt es noch eine Reihe von Personen außer Fokko, die befragt werden müssen, weil sie zuletzt mit Vikki gesehen worden sind. Er ist nicht der Einzige, der da Kontakt hatte.«
»Kröger und Harm?«
Femke stockte. »Wie kommst du denn jetzt darauf?«
»Na, was man so hört, haben die doch mit Vikki beim Matjesfest rumgemacht.«
»Von wem weißt du das?«
Torsten zuckte mit den Achseln. »Was man so hört halt.«
Femke schwieg einen Moment. Dann trat sie gegen den Mülleimer, der scheppernd durchs Büro flog. »Torsten, Mann! Muss ich dir immer alles aus der Nase ziehen?«
»Ich wollte mir die zwei erst noch packen.«
»Du packst dir überhaupt niemanden, denn das ist nun wirklich Kripoarbeit!«
Torsten sah Femke regungslos an. »Tut mir leid, meine Güte …«
Femke musterte ihn angriffslustig. Sie konnte ihn jetzt weiter verbal in den Hintern treten oder ihm damit drohen, dass es nicht mehr bei Ermahnungen bleiben würde, wenn er so weitermachte. Immerhin war sie seine Vorgesetzte. Das Ende vom Lied wäre, dass er noch sturer würde und ihre Arbeit damit noch schwieriger. Also sollte er halt denken, dass sie klein beigab. Er hielt sich hier ohnehin schon für den Chef, und möglicherweise würde er das sogar werden, falls es Femke gelingen würde, sich endlich von Werlesiel abzunabeln und einen Job bei der Kripo zu ergattern. Sie winkte ab wie so oft. »Wir stehen alle etwas unter Stress im Moment.«
»Das kannst du wohl
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