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Dünengrab

Dünengrab

Titel: Dünengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
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egal.«
    »Femke.« Gerkens senkte seine Stimme und sprach mit ihr, als müsse man ein bockiges Kind zur Ordnung rufen. »Es ist zurzeit von besonderer Bedeutung, dass er gut gelaunt ist. Nehmen Sie es einfach zur Kenntnis, und sehr bald werden Sie verstehen, dass ich recht hatte. Mehr kann ich dazu im Moment nicht sagen.«
    Aha, dachte sie. Hatte Ruven nicht gemeint, dass da irgendwas zwischen Mommsen und der Stadt in der Mache sei? Und jetzt klang es so, als bekäme der Bürgermeister kalte Füße, weil Mommsen mit dem Säbel gerasselt hatte. Blieb die Frage, was das für ein Projekt war und warum Mommsen dem Anschein nach in Harnisch geraten war, nachdem Tjark ihn befragt hatte. Auf beides würde sie jetzt und hier von Gerkens keine Antwort erhalten.
    »Ich spreche mit ihm und werde sehen, was ich tun kann, Herr Gerkens.«
    »Das«, antwortete der Bürgermeister, »klingt doch ganz ausgezeichnet, um mehr wollte ich gar nicht bitten, und wir zwei wollen doch nur das Beste, nicht?«
    »Klar«, sagte Femke tonlos.
    Der Wagen fuhr jetzt auf den Hof und hielt neben ihrem Streifenwagen. Es war ein BMW Cabrio und sah von der Seite aus, als habe jemand es in einen Salzstreuer verwandeln wollen. Nur einer fuhr hier einen solchen Wagen, und dieser eine saß alleine am Steuer und zog sich gerade die Lederjacke aus.
    »Nur das Beste für den Ort«, vollendete sie ihren Satz, verabschiedete sich, steckte das Handy zurück in die Hosentasche und sah Tjark fragend entgegen, der jetzt auf sie zukam und im Gehen seine Ärmel aufkrempelte. Er schob die Sonnenbrille auf die Nasenspitze. »Kaum ist man raus aus dem Wind, kommt man sich vor wie in der Sauna und kann keinen klaren Gedanken mehr fassen.«
    »Eine steife Brise von vorn gibt immer kühle Ohren«, sagte Femke trocken und sog sich mit den Blicken an Tjarks Tätowierung fest. Sie hörte ihn lachen und ergänzte: »Der Bürgermeister hat mich gerade angerufen. Ich soll dir ausrichten, du sollst Knut Mommsen in Ruhe lassen.«
    »Hat Mommsen etwa …«
    »Ja, hat er.«
    »Ich werde ihm jetzt erst recht den Arsch aufreißen, denke ich.«
    »Tu nur, was nötig ist.« Sie legte den Kopf schief, löste den Blick von den mit Tinte gestochenen dunkelblauen Wellen auf Tjarks Arm und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. Sie wollte ihn zuerst endlich mal fragen, was es mit der Tätowierung auf sich hatte, ließ es dann aber bleiben und fragte stattdessen: »Woher hast du gewusst, dass du mich hier findest?«
    Tjark tippte an seine Nase. »Ich bin bei der Polizei. Wir wissen so dies und das.«
    Femke schmunzelte, verschränkte die Arme vor der Brust und beobachtete Tjark dabei, wie er Justin musterte.
    »Das ist also das berühmte Pferd«, sagte er, »das der Polizeichefin von Werlesiel den Finger abgerissen hat.«
    »Exakt.«
    »Soll ich ihn festnehmen oder sofort erschießen?«
    »Das ist nicht lustig und der falsche Zeitpunkt.«
    »Ich habe ein Talent für schlechte Zeitpunkte.«
    »Das habe ich bereits bemerkt.«
    »Bin ich so durchsichtig?«
    »Wie Glas.«
    Er kam auf sie zu. »Die Tätowierung habe ich schon lange«, sagte er, und für einen kurzen Moment fühlte sich Femke ertappt. »Ich habe sie in Hamburg bei einem Künstler seines Fachs machen lassen, der viele Jahre in Japan gelernt und einigen Yakuza-Bilder unter die Haut gestochen hat. Yakuza sind nicht dafür bekannt, besonders zimperlich zu sein. Wenn bei diesem rituellen Prozess etwas schiefgeht, kann das lebensgefährlich werden. Ich habe das Motiv gewählt, weil das Meer mein Leben auf besondere Weise geprägt hat und weil ich eine Scheißangst davor habe.«
    »Vor dem Meer?«
    »Manche haben Probleme mit Höhe. Ich habe Probleme mit Wasser.«
    »Oh.« Femke verstand nicht, was Tjark ihr gerade sagen wollte. Ging es um eine vertrauensbildende Maßnahme? Um das Vertiefen einer persönlichen Beziehung – nachdem er nun einen Schritt weit in ihr Leben eingedrungen war und Justin kennengelernt hatte? Ein Quidproquo in Bezug auf schicksalhafte Beziehungen? »Aber du bist doch nicht gekommen, um mir das zu erzählen?«
    »Nein«, sagte Tjark, nahm die Sonnenbrille ab und steckte sie in die Brusttasche. »Ich bin gekommen, weil ich ein Boot brauche.«

45
    Die Desire kreuzte seit einer guten halben Stunde vor der Werlesieler Küste. Bis auf die Kondensstreifen einiger Flugzeuge war der tiefblaue Himmel am späten Nachmittag makellos. Die Luft war klar, das Licht war warm, was man vom Wind nicht behaupten konnte, der vom

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