Duenenmord
beträchtlich.«
»Ja, ja, ich weiß, aber … vielleicht habe ich mich ungeschickt ausgedrückt. Für mich entsteht der Eindruck, dass er in auffälliger Weise schwankt zwischen der klar und selbstsicher formulierten Behauptung, er habe zwar das Netbook aus dem Wagen geholt, aber nicht das Geringste mit Sängers Tod zu tun, und plötzlich hochschießender Unruhe, Nervosität.«
Kasper strich sich übers Kinn. »Das Verhör dürfte ihm nicht nur unangenehm sein, weil er unter Mordverdacht steht. Die Stasi hat ihn in der Mangel gehabt«, erklärte er in leisem Tonfall. »Er war 1982 in einen Autounfall verwickelt, bei dem ein Mensch starb und ein zweiter schwerverletzt überlebte. Sie haben ihn ›überredet‹, fürs MfS tätig zu werden. Als Gegenleistung musste er sich nicht für den Unfall verantworten. Der Junge war damals zwanzig Jahre alt.«
Romy riss die Augen auf und starrte den Kollegen verblüfft an. »Wie bitte? Und seit wann weißt du das?«
»Ich war auf dem Weg von Sassnitz hierher, als ich einen Anruf erhielt. Ich hatte bei meinem Kontaktmann noch mal nachgehakt.«
Romy schüttelte den Kopf. »Na super – hättest du mich nicht mal vorher …«
»Ich informiere dich jetzt. Zwischen Tür und Angel hielt ich das vorhin nicht für nötig«, unterbrach er sie. »Außerdem …«
»Das sehe ich aber anders!«, entrüstete sie sich. »Das ist ein entscheidender Hinweis, und das weißt du ganz genau.«
»Mag sein, aber wir können nichts davon verwenden«, hielt Kasper dagegen. »Es gibt keine Akten, keine offiziellen Aussagen, nichts. Die Geschichte liegt dreißig Jahre zurück, und er selbst wird damit nicht herausrücken, zumindest nicht so lange die Vernehmung aufgezeichnet wird.«
»Warum sollte er überhaupt mit irgendwas herausrücken?«, herrschte Romy den Kollegen an. »Nichts davon sollte je zur Sprache kommen, das ist doch das Thema dieses Falls! Und es soll auch jetzt nicht zur Sprache kommen, weil es sein Leben, die Firma, vielleicht sogar sein Familienleben gefährden würde. Sein Motiv wird durch diesen Aspekt noch bedeutend stärker, und darüber bist du dir genauso im Klaren wie ich! Falls Monika Sänger auch von diesen Umständen erfahren hat und ihre Indiskretion zu befürchten war …«
»Konrad Arnolt hat damals die Fäden gezogen. Er war dabei, als sie Heise überredeten, auf Rügen tätig zu werden.«
Romy öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Die merkwürdige Warnung, von der Margot Arnolt gesprochen hatte, schoss ihr durch den Kopf. Wie bizarr, dass ausgerechnet Heise und Rolf Arnolt aufeinandergetroffen waren.
»Ich teile deine Meinung, was sein Motiv angeht«, hob Kasper wieder an. »Heise könnten angesichts der drohenden Offenlegung seiner belastenden Vergangenheit alle Sicherungen durchgebrannt sein. Möglicherweise hat Monika ihn imLaufe einer Auseinandersetzung auch provoziert. Aber … vielleicht war es doch ganz anders.«
Romy strich ihre Locken mit einer energischen Bewegung zurück. »Warum? Was veranlasst dich zu der Vermutung? Der große unbekannte Dritte?« Sie hörte selbst, dass ihr Ton spöttisch klang, aber Kasper ließ sich nicht irritieren.
»Trotz allem, irgendwie passt der Mord nicht zu Heise«, fuhr er fort. »Und mit der wüsten Schlägerei bringe ich ihn auch nicht zusammen, aber das mag daran liegen, dass ich mit derart hasserfüllten Grausamkeiten grundsätzlich meine Probleme habe.«
»Damit stehst du nicht allein, aber Menschen sind manchmal so: hasserfüllt und grausam.«
»Also gut, bleiben wir mal dabei«, griff Kasper den Gedanken auf. »Monika setzt ihn unter Druck, sie streiten unten am Strand, dann schlägt er die Frau im Affekt und voller Wut nieder, so wie der Junge es beobachtet hat. Anschließend schleift er sie ins Wasser, macht sich die Mühe, nach ihrem Wagen zu sehen, entdeckt das Netbook, steckt es ein, haut ab und lässt es später verschwinden – warum nicht die ganze Frau?«
»Du hast selbst gesagt, dass ihm die Sicherungen durchgebrannt sein könnten. Durchdachtes Handeln ist dann nicht angesagt. Außerdem musste er zurück ins Hotel und konnte nicht lange durch die Gegend fahren, um eine Leiche möglichst unauffällig und spurlos zu beseitigen. So schnell geht das nicht. Er hat sie einfach liegengelassen – in der Hoffnung, die Ermittlungen würden ihn höchstens am Rande streifen, was ja auch fast geklappt hätte, denn ohne den Ohrstöpsel hätten wir nichts in der Hand.«
Kasper runzelte die Stirn. »Hm,
Weitere Kostenlose Bücher