Düstere Schatten (Darian & Victoria #2) (German Edition)
verließ ich den Rat und fühlte mich sofort unwohl. Ich hatte nicht das Recht, das Wohl meiner Tochter über das der Gemeinschaft zu stellen. Mein Benehmen glich beinahe dem von Aurelia. Für einen kurzen Moment spielte ich mit dem Gedanken, zurückzugehen. Aber die Worte waren gesprochen. Ein Umkehren hätte nichts mehr daran geändert.
Ich lief nicht zu meinem Zimmer, sondern direkt auf Aurelias Büro zu. Zu meiner Verwunderung traf ich dort auf Sina und Elric, die sich meiner letzten Information nach auf der Suche nach Victoria befinden hätten sollen.
Erstaunt bemerkte ich: »Ihr seid nicht erfolgreich gewesen, oder?« Die beiden verneinten synchron. »Ich ebenso wenig«, gab ich zu. »Sie wollen weder Aurelia noch Victoria in den Rat zurückberufen.«
»Was? Wieso?«, fragte Sina schockiert.
»Aurelia handelt gegen den Willen des Rates und Victoria steht kurz davor, sich der Wut hinzugeben. Kannst du sie über eure Verkettung spüren?«
Sina sah mich lange an und schien sich dabei zu konzentrieren. Ich las aus ihr, dass sie versuchte, eine Verbindung zu Victoria herzustellen. Sie spürte aber nur einen Hauch von ihr, eine Ahnung ihres Zustandes, so sehr sie sich auch konzentrierte.
Ich drängte sie zur Eile: »Versuch sie zu orten. Wir müssen sie finden. Ich spüre die Präsenz der Dunkelheit. Schnell!«
Wachsende Dunkelheit
Victoria
Ich fühlte mich so frei. Meine Kraft schien ins Unendliche zu reichen. Sie pulsierte in jeder Zelle meines Körpers, bis mein Gewissen darauf reagierte:
»Du suchst nach Darian. Du liebst Darian.«
Wieder und wieder hörte ich denselben Spruch. Ich versuchte, die innere Stimme zu ignorieren, aber es gelang mir nicht. Irgendwann zogen meine Gefühle nach. Ich dachte für einen Sekundenbruchteil bewusst an Darian. Mich durchströmte eine Woge des Glücks, überflutete das Machtgefühl und hinterließ nach seinem Rückzug ein emotionales Trümmerfeld.
Ich musste versuchen, ihn zu finden. Er hatte sich für mich geopfert!
Während ich überlegte, lief ich in unserer Höhle im Gebüsch umher. Runde um Runde. Doch ich hatte keine Idee, wie ich ihn finden sollte. Nicht einmal, wo ich mit der Suche hätte anfangen sollen. Ich hatte Angst vor einem erneuten Blick in die Zukunft. Angst vor der schrecklichen Wahrheit.
Vielleicht war Darian gar nicht mehr am Leben? Allein der Gedanke daran ließ eine erneute Welle der Trauer über mich rollen. Doch mein gesamtes Innerstes sträubte sich gegen die Trauer, die eine solche Machtlosigkeit hinterließ. Die Kraft verleihende Wut hingegen hieß ich Willkommen. Ich begann, sie zu genießen, sonnte mich in ihrer Energie, als plötzlich etwas an dem geknüpften Band zu Sina rüttelte.
Sina. Sie hatte ich in diesem Gefühlschaos beinahe vergessen. Sie suchte nach mir. Aber wollte ich denn gefunden werden?
Beistand
Sina
»Ich habe sie. Sie hält noch immer an unserer Verkettung fest. Kommt mit.« Ich zog Elric und Sofia mit mir. Elric wollte seine übermenschliche Geschwindigkeit einsetzen, aber ich war dagegen. Ich musste zuerst auf Vic zugehen. Elric sollte mir beiseite stehen. Sofia wollte ich lediglich dabei haben, um das, was Vic vor mir verborgen halten konnte, zu entschlüsseln.
Als wir an einer verwilderten Hecke am Rande des Gartens ankamen, spürte ich Victorias Verzweiflung, Trauer und die Wut. Ich rief ihren Namen, aber sie antwortete nicht. Als ich mich durch das Geäst und die Zweige gequetscht hatte, sah ich sie. Für einen Menschen hätte sie normal ausgesehen, etwas übermüdet vielleicht. Aber für mich, als ihre Beschützerin, leuchtete sie rot. Dasselbe Rot, das mich ansonsten vor Gefahren für meinen Schützling warnte, kam nun aus ihrem Inneren. Für einen Moment zögerte ich. Dann trat ich auf sie zu. Auch Victoria war sich unsicher.
Als ich direkt vor ihr stand und in ihren Augen den Kampf in ihrem Inneren sah, wusste ich, was zu tun war: Ich überwand die letzten Zentimeter zu ihr und nahm sie in den Arm. Das gefährliche Rot fiel in dem Moment von ihr ab. Es fand keinen Halt mehr.
Victoria weinte. Endlos liefen die Tränen über ihr Gesicht. Sie vermochte kaum Luft zu holen, ohne zu schluchzen.
Ich sagte nichts, versuchte nicht, sie zu trösten. Keine Worte wären meinem Mitgefühl gerecht geworden.
Elric und Sofia verließen uns. Wir vereinbarten, uns später zusammen mit Aurelia und Tabea zu treffen.
Ich sah die Sonne aufgehen. Gefühlte Minuten später ging sie
Weitere Kostenlose Bücher