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Düstermühle: Ein Münsterland-Krimi (German Edition)

Düstermühle: Ein Münsterland-Krimi (German Edition)

Titel: Düstermühle: Ein Münsterland-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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Einband.

19
    Auf der Autobahn waren nur wenige Menschen unterwegs, und so erreichte Gratczek knapp zwei Stunden später das nahezu verwaiste Polizeipräsidium. Seine Schritte hallten durch die leeren Korridore. Das Haus zeigte sich an diesem Sonntagabend von einer ungewohnten Seite.
    Kein Mensch begegnete ihm in den sonst lebhaften Räumen, bis er schließlich den Flur mit den Büros seiner Ermittlungsgruppe betrat, wo es etwas lebendiger zuging. Überall brannte Licht, zwei Uniformierte standen in der engen Kaffeeküche und plauderten, und am Ende des Flurs tauchte Henrik Keller auf, der gerade das Büro verlassen hatte, in dem sie für gewöhnlich die Vernehmungen führten. Er entdeckte Gratczek und kam mit schnellen Schritten auf ihn zu.
    »Guido, da bist du ja. Dann können wir loslegen. Walther Vornholte sitzt schon am Besuchertisch.«
    »Ich komme also nicht zu spät?«
    »Nein, nein, wir sind auch noch nicht lange hier.« Er deutete mit dem Kinn zur offenen Tür. »Er ist nur noch ein Häufchen Elend. Wir werden nicht viel Arbeit mit ihm haben. Also, sollen wir anfangen?«
    Das war alles. Kein Wort mehr zu dem Vorfall in Köln. Keller tat so, als wäre alles wie immer. Die Tatsache, dass er seinen Kollegen vor ein paar Stunden derart hängen gelassen hatte, schien für ihn keine Rolle mehr zu spielen.
    So leicht wollte Gratczek sich aber nicht abspeisen lassen. Er würde später darauf zurückkommen, wenn die Vernehmung von Walther Vornholte vorüber war. Ihm würde schon noch etwas Passendes einfallen, um Keller das heimzuzahlen.
    »Dann wollen wir mal sehen«, sagte er. »Hast du ihn schon mit unseren neuen Erkenntnissen konfrontiert?«
    »Nein, aber ich habe das Fotoalbum bei ihm entdeckt. Du weißt schon, das Album, das Rosa Deutschmann gestohlen wurde.«
    »Vornholte hatte das Album bei sich zu Hause? Und es lag einfach so herum?«
    »Es steckte im Wohnzimmer unter einem Sofakissen. Ich habe mich buchstäblich draufgesetzt.«
    »Na, dann legen wir mal los.«
    Walther Vornholte sah tatsächlich nicht aus, als wäre viel Widerstand zu erwarten. Blutunterlaufene Augen, hängende Schultern, ein ausweichender Blick.
    »Herr Vornholte, das ist mein Kollege Guido Gratczek. Jetzt, wo er da ist, würden wir gern anfangen. Wir möchten Ihnen ein paar Fragen stellen.«
    Keller schloss die Tür, nahm Platz und stellte das Tonband ein. Eine Schreibkraft war an diesem Sonntagabend nicht mehr aufzutreiben gewesen, also musste das Band ausreichen. Keller lehnte sich zurück und verschränkte die Arme.
    »Fangen wir mit dem Besuch aus Köln an. Ein Mann mit einer auffälligen Narbe im Gesicht. Er war vor Kurzem bei Ihnen auf dem Hof. Was hatte es damit auf sich?«
    Walther Vornholte schwieg. Er starrte regungslos auf die Tischplatte. Offenbar versuchte er immer noch, irgendetwas zu retten.
    »Sie hatten doch Besuch von einem Mann, auf den diese Beschreibung passt? Oder irre ich mich?«
    »Ich weiß nicht mehr«, sagte Vornholte. »Vielleicht war das ein Vertreter.«
    Seine Stimme war dünn und brüchig. Es brauchte nur noch einen kleinen Stoß. Den wollte Gratczek ihm geben. »Hieß dieser Mann vielleicht Jens Vogelsang?«, fragte er.
    Vornholte sah erschrocken auf. Offenbar kannten sie jetzt die ganze Geschichte. Es hatte keinen Sinn mehr zu lügen.
    Er senkte den Blick. Sekundenlang sagte er gar nichts. Dann flüsterte er: »Ja. Er war bei mir. Das war Jens.«
    »Jens. Das ist ihr Neffe, nicht wahr?«
    »Ja. Er ist ein guter Junge.«
    »Wir haben inzwischen erfahren, dass Ihre verstorbene Frau einen leiblichen Bruder hatte. Peter. Er lebte in Köln, und Jens ist sein Sohn.«
    »Ja, das stimmt.«
    Gratczek kannte bereits die ganze Geschichte, trotzdem wollte er sie noch einmal aus dem Mund von Walther Vornholte hören.
    »Wie haben Sie diesen Teil der Familie kennengelernt? Soweit ich weiß, war Ihre Frau eine Kriegswaise. Sie wurde von Schulte-Stein in Pflege genommen. Es gab gar keine Familie mehr, hat es immer geheißen.«
    »Das haben wir auch gedacht, Hanne und ich. Sie hatte ja kaum noch Erinnerungen an die Zeit vor Schulte-Stein. Aber als wir in Rente gegangen sind, da ist … Sie hatte so viel Zeit zum Nachdenken. Ihr Bruder – Peter, er hat …«
    Vornholte brach ab. Er kämpfte mit seinen Emotionen. Gratczek und Keller wechselten einen Blick. Dann sagte Gratczek mit leiser und freundlicher Stimme: »Erzählen Sie einfach von Anfang an. Die ganze Geschichte. Es fing an, als Ihre Frau in Rente ging? Ist das

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